Arbeskire gehört zu den modernen Staaten mit dem dichtesten Netz des Öffentlichen Personenverkehrs: Die meisten Ortschaften besitzen ein gut ausgebautes Busnetz und sind regional und überregional durch Schienenbusse verbunden. Private Kraftfahrzeuge sind selten, einerseits weil aufgrund des dichten und günstigen öffentlichen Angebots kein dringender Bedarf besteht, andererseits weil die verbreiteten Wohngemeinschaften, die das Horgersystem hervorbringt, einzelne Kraftfahrzeuge in denen höchstens ein halbes Dutzend Insassen unterkommt, unpraktisch erscheinen lassen. Ein privates Kraftfahrzeug kommt daher nur in gut 16 von 100 Haushalten vor.
Der Individualverkehr wird, wo er nicht auf die Füße beschränkt ist, von Fahrrädern bestimmt, in ländlichen Gebieten auch noch von Pferden oder Eseln. In den letzten Jahrzehnten haben, gerade in den Städten, jedoch auch vermehrt Drauverde und Draukufe Einzug gehalten. Drauverde sind Standbretter mit zwei Achsen und vier Rollen, die stehend durch Abstoßen vom Untergrund mit einem Bein und geschickte Gewichtsverlagerung fortbewegt und gesteuert werden, während es sich bei den Draukufen um spezielle Schuhe (Kufe) handelt, unter denen vier Rollen in einer Reihe angebracht sind - sie wurden von den Ledkufen inspiriert, mit denen die Narven sich schon in der Antike über gefrorene Gewässer fortbewegten.
Marisu ist eigentlich eine recht kleine Welt. In ihrer Mitte befindet sich die Zitadelle, ein riesiger Turm, dessen Spitze in unerreichbarer Höher über dem Rest der Welt ragt. Die Zitadelle ist im wahrsten Sinne des Wortes in der Welt verwurzelt, denn an ihrem Fuß treten gewaltige Formationen aus, die aus demselben hellen, organischen Material bestehen, wie auch die Zitadelle.
Die Bewohner der Welt haben die größte und einzige Stadt kreisförmig rund um die Zitadelle gebaut. Die größten Straßen gehen speichenförmig von dort aus, immer wieder verbunden durch die Ringstraßen, die die Zitadelle kreisförmig umschließen. Im Zentrum wird dieses Muster sehr streng eingehalten. Kommt man weiter nach außen, sind die Speichen nicht mehr so gerade und die Ringe nicht mehr so rund. Die Häuser werden kleiner und viele Gässchen zerfurchen das Stadtbild weiter.
Die meisten Bewohner sind auf ihre eigenen Füße oder Flügel angewiesen, wenn sie irgendwo hin wollen. Die Gassen sind für gewöhnlich voll mit Leuten, die allesamt dringend irgendwohin müssen und selten Rücksicht nehmen auf ihre Mitmenschen. Wer fliegen kann, hat es natürlich deutlich besser.
Aber auch hier gibt es natürlich Ausnahmen. Denn wo wäre die Welt, wenn nicht ein paar Menschen auf andere herabschauen könnten! Es sind natürlich wieder die Magier, die sich für etwas besseres halten.
Oben auf der Zitadelle gibt es einige Nester von Harpyen – geflügelte Wesen, die kräftig genug sind, einen Menshen zu packen und fortzutragen. Schauderhafte Wesen sind das, mit ledrigen Schwingen wie Fledermäuse und krächzenden Stimmen, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Sie haben riesige Zähne und noch viel längere Klauen an ihren Füßen, die schrecklich scharf sind.
Manchmal kommen wilde Harpyen in die Stadt und stehlen unvorsichtige Kinder, schleppen sie fort und man sieht sie nie wieder. Vielleicht werden sie selbst zu Harpyen, denn niemand hat je Harpyenkinder gesehen. Vielleicht werden sie auch einfach verspeist.
Die Magier haben es jedenfalls irgendwie geschafft, einige dieser Biester einzufangen und zu zähmen. Und nicht nur das – offenbar haben sie ihnen auch eine gehörige Portion Steroide verpasst, denn die „zahmen“ Harpyen der Magier sind größer und noch viel gefährlicher, als die Wildform.
Wenn die Magier besonders viel Eindruck beim Proletariat machen wollen, setzen sie sich in einen Korbsessel, der von so einer Harpye durch die Luft getragen wird. Und dann kommen sie auch nicht allein, sondern bringen noch zwei oder drei weitere Harpyen mit, deren Aufgabe es ist, die Proleten vom Landeplatz zu verscheuchen, wo die größte Harpye dann den Korbsessel samt Magier absetzt.
Der einzige Vorteil dieser Transportmethode ist, dass man sie kommen hört. Jeder mit etwas Hirn oder Herz schafft dann die Kinder von der Straße und holt die Armbrust unterm Küchentisch hervor, denn man weiß nie, was so ein Magier will.
Davon zu sprechen, dass die Menschen der Erde im 22. Jahrhundert ihren ersten Schritt auf die interstellare Bühne taten, um mitzuspielen, ist eine ziemlich schlechte Beschreibung für das, was wirklich geschah. Stattdessen wurden die Menschen der Erde ins kalte Wasser geschmissen. Auf eine Alieninvasion folgte ein Befreiungskrieg, bei dem de Erdlinge auf andere Menschen stießen, die vor Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden bereits von entführt worden waren und recht schnell wurden Bündnisse geschmiedet und die wiederentdeckte Erde erlangte als Wiege der Menschheit größte Bedeutung. Doch wenngleich nun immer mehr Menschen von überall aus der Galaxis zur Erde pilgern, wollen immer mehr Erdenbürger fort von der Erde, um die große, neue Welt, die sich ihnen aufgetan hat, zu erforschen.
Zunächst war dies nur durch Raumschiffe möglich, welche den Staaten der Erde bzw. der neu entstandenen Union gehörten, doch nun, da der Krieg faktisch vorbei ist, gelangen immer mehr Raumschiffe in den Besitz von Privatleuten. Viele dieser Schiffe gehörten ursprünglich dem Militär, wurden jedoch ausgemustert, als sie nach und nach durch überlegenere Kriegsschiffe ausgetauscht wurden. Nicht selten wurde allerdings ein wenig beim Umbau für zivile Zwecke geschlampt, sodass manch ein Ramschiff in Zivilistenhänden nun besser bewaffnet ist als zu seinen Zeiten bei der Flotte und darüber hinaus auch oft noch besondere Überraschungen parat hält.
Zudem haben auch immer mehr Werften damit begonnen, Raumschiffe für den zivilen Gebrauch zu bauen, die hierfür natürlich auch nicht zu teuer sein sollen: Tatsächlich sind die günstigsten hyperraumfähigen Raumschiffe nicht mehr wesentlich teurer als ein modernes Einfamilienhaus in guter Lage.
Das Problem mit diesem rasanten Anstieg des praktisch unkontrollierbaren Individualverkehrs von Menschen in der gesamten Galaxis ist, dass die Galaxis eben nicht die freundliche Nachbarschaft ist und nicht mal eben der Pannendienst kommen kann, wenn man liegenbleibt. Auch ist Piraterie grade in den Kolonien ein nicht zu unterschätzendes Problem und wer es wagt, sich noch weiter herauszuwagen, muss noch mit ganz anderen Feinden rechnen. Bei den ersten Fällen von Geiselnahmen, Überfällen und Entführungen sah sich die Union in der Pflicht, den Menschen zu helfen, doch es zeigte sich bald schon, dass diese Vorgehensweise keine allzu praktische und gute war: Oft wurden ganz gezielt Raumschiffe der Menschen abgefangen, da man wusste, dass die Union eher ein Lösegeld zahlen würde, als einen Befreiungsversuch zu starten, da nicht ständig Militärschiffe für irgendwelche Scharmützel mit Verbrechern losgeschickt werden sollten. So beschloss das Parlament recht bald ein neues Gesetz, das dafür sorgt, dass jeder, der sich außerhalb bestimmter Systeme befindet und dort Opfer von Piraten etc. wird, nicht auf die Hilfe des Militärs hoffen darf; auch werden konsequent keine Lösegelder bezahlt.
Gerade in den äußeren Kolonien hat dieses Gesetz für manch einen Aufschrei gesorgt, da diese Systeme oft nicht in den Bereich fallen, in dem die Union sich noch zum Schutz der Bürger verpflichtet; sobald man einen Planeten dort verlassen hat, befindet man sich quasi in einem rechtsfreien Raum, weswegen sich einige private Unternehmen weigern, diese Kolonien noch anzufliegen und mit dringend benötigten Gütern zu beliefern. Dieses Problem haben sich nun einige Sicherheitsunternehmen zu Nutze gemacht und sorgen in diesen Regionen dafür, dass Zivilisten unbehelligt ihr Ziel erreichen können – wenn sie denn für die Hilfe bezahlen. Gerüchteweise gibt es jedoch auch schwarze Schafe unter diesen Unternehmen, die selbst unter falscher Flagge Raumschiffe angreifen, um die Besitzer davon zu überzeugen, auf die Hilfe der Söldner angewiesen zu sein.
@Elatan So würde ich das aber auch machen, irgendwo ist halt die Reichweite des eigenen Militärs erschöpft. Dass die Sicherheitsfirmen dann ganz klassisch vorgehen überrascht mich auch nicht weiter. Haben die Kolonien keine eigenen Schiffe zur Verteidigung? (Außerdem finde ich den Tippfehler "Ramschiff" im Zusammenhang mit Second Hand Schiffen sehr passend)
@Elatan Ein schöner, sehr umfassender Bericht. Ich kann Teja eigentlich nur zustimmen: Die Ressourcen des Militärs sind begrenzt und anders sicher besser genutzt, als ständig irgendwelchen Privaten zu helfen - selbst schuld, wenn sie so weit ab vom Schuss rumgurken. Die Entstehung privater Söldnerfirmen inklusive der "Schutzgelderpressung", die sie betreiben, ist auch nur allzu (kapitalistisch-)logisch.
@Nharun: Tolle Erfindungen, wenn es doch nur so etwas in der Art auch in unserer Welt geben würde! @Teja: Ich kann es mir richtig bildlichen vorstellen und finde die Idee grandios, sehr schön!
Zitat von Teja im Beitrag #8@Elatan So würde ich das aber auch machen, irgendwo ist halt die Reichweite des eigenen Militärs erschöpft. Dass die Sicherheitsfirmen dann ganz klassisch vorgehen überrascht mich auch nicht weiter. Haben die Kolonien keine eigenen Schiffe zur Verteidigung? (Außerdem finde ich den Tippfehler "Ramschiff" im Zusammenhang mit Second Hand Schiffen sehr passend)
Einige Schiffe haben solche Kolonien schon, aber das sind eher selten welche, die wirklich auf den Kampf ausgelegt sind. Die Schiffe der Piraten sind nicht selten ausgemusterte Militärschiffe, wie ich sie erwähnte, und mit so einem billigen Zivilschiff ist da nicht wirklich gut etwas gegen auszurichten, weswegen Söldner da dann das bessere Mittel sind - das aber eben auch wieder kostet. Was die Verteidigung angeht: Sollte eine fremde Macht einmal eine Kolonie angreifen, würde die Unions-Flotte durchaus zur Hilfe kommen, nur bei Piraten heißt es gut und gerne, dass das Aufgabe der planetaren Streitkräfte ist, die, wie ich ja eben sagte, mitunter faktisch gar nicht so gut ausgerüstet sind.
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Einhundertsechsunddreißigstes Speedbasteln 7. Mai 2020: Individualverkehr
06.05.2020 10:31 (zuletzt bearbeitet: 05.05.2022 10:15)
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