Das Buch der flüsternden Toten

Es war in den Jahren nach dem Kronenkrieg, dass in einer stürmischen Herbstnacht in Angilsten Türen eingeschlagen und dutzende Menschen verhaftet wurden. Ein Buch war gestohlen worden, doch nicht der Diebstahl hatte die Obrigkeit dazu veranlasst, sondern seine Wiederbeschaffung. Das Buch war aus dem Magierturm von Glerich entwendet worden, dessen Besitzer schon seit Generationen nicht mehr lebte und in dem nur noch hin und wieder ein alter, von der Stadt bezahlter Diener nach dem Rechten sah. Dieser Diener war es, der den Diebstahl bemerkt hatte; er hatte jedoch nur gemerkt, dass im Regal ein Buch fehlte, nicht aber, um welches es sich handelte. Und so kam es, dass er den Diebstahl meldete und die Stadtwache eher halbherzig nach Hinweisen suchte. Erst einige Jahre nach dem Vorfall begab es sich, dass der Fall noch einmal Fahrt aufnahm. Einer der Wachmänner hatte nach einer Beinverletzung den Dienst quittiert und war nach Angilsten gereist, um dort die Schenke seines Onkels zu übernehmen, als er dort direkt an seinem ersten Abend hinter der Theke einen Betrunkenen davon reden hörte, wie enttäuscht dieser gewesen sei, dass sein Sohn von einem fahrenden Magier nicht als Lehrling angenommen worden war, obwohl er ihm doch sogar bereits ein Lehrbuch gekauft hatte, welches aus dem Turm von Glerich war.

Der ehemalige Wachmann und frischgebackene Wirt stellte den Trunkenbold zur Rede und dieser erzählte ihm, er sei sich sicher gewesen, dass sein Sohn das Potential hätte, ein Magier zu werden und so hab er ihm von einem Krämer im Ort ein Zauberbuch gekauft, das es jedem ermöglichen sollte, rasch zu erlernen, mächtige Magie zu meistern. Der Junge hatte allerdings kaum Interesse daran gehabt, das Buch zu lesen und so hatte auch der Magier, der kürzlich durch das Örtchen gekommen war, kein Interesse daran gehabt, ihn als Lehrling aufzunehmen und nur gesagt, dass der Junge ebenso magiebegabt sei wie ein Wiesel. Der Wirt zählte durch die Schilderungen des Mannes eins und eins zusammen und sagte ihm, dass das Buch Diebesgut gewesen sei und da dieser keine Schwierigkeiten bekommen wollte, händigte er es dem Wirt aus, welcher es mit einem Boten nach Glerich schickte. Wenige Tage später kamen Soldaten des Herrn von Glerich nach Angilsten und statt bis zum nächsten Morgen zu warten, begannen sie noch in der Nacht, in die Häuser des Krämers, des Wirtes, des Vaters und vieler anderer einzudringen und sie zu durchsuchen.

Als sie schließlich nichts fanden und auch Fragen unbeantwortet blieben, begannen sie mit der peinlichen Befragung dutzender Bürger, die bis dahin als unbescholten galten. Mehrere Tage später kam noch ein Magier aus den Diensten der Königin aus Niturin angereist, um mit seinen eigenen Methoden noch weiter zu forschen, was dafür sorgte, dass einige der Befragten bis ans Ende ihres Lebens nicht mehr dieselben waren wie zuvor.

Das Alarmierende an dem Buch, welches nach Glerich geschickt worden war, war dass es lediglich eine Abschrift des gestohlenen Buches war, welches das »Buch der flüsternden Toten« genannt wird und als eine der gefährlichsten Schriften gilt, welche je verfasst wurden.

Um wirklich mächtige Magie zu beherrschen und zu wirken ist es nämlich notwendig, lange und intensiv zu üben und sie zu studieren. Das Buch der flüsternden Toten jedoch ist anders; die Zaubersprüche, die in ihm geschrieben stehen, sind Werkzeuge, die zu scharf sind für die Hände eines Ahnungslosen, der sie liest und sich von ihnen etwas erhofft, denn tückisch sind sie zudem. So versprechen die Beschreibungen Reichtum, Macht und ein ewiges Leben, doch die Zauber selbst bewirken völlig andere Dinge. Sie wurden vor langer Zeit von einem fähigen Magier geschmiedet, der vollkommen besessen davon war, dem Tod zu entrinnen und all seine Energie in die Zaubersprüche einfließen ließ, die er in sein Buch schrieb, und die es selbst dem Unfähigsten seiner Diener erlauben sollten, ein Tor ins Totenreich zu öffnen, um ihm zu erlauben, zurückzukehren.

Dass nur eine Kopie des Buches gefunden wurde, bedeutet, dass das Original aus Glerich immer noch verschwunden ist und schlimmer noch – dass es vermutlich noch weitere Kopien geben könnte, die in den falschen Händen die Pforten der Hölle aufreißen könnten.

@Elatan Was für ein unheimliches Buch. Hat der Magier sein Ziel jemals erreicht?
@Amanita Ich möchte in deiner Welt kein Magier sein.

*nachreich* Zwar etwas am Thema vorbei, aber was solls:

Der Hütchenspieler

Schon als kleiner Junge wollte Nikki ein Zauberer werden, genauso wie sein Großvater. Er holte dessen alte Sachen aus dem Lager und spielte damit, bis seine Mutter sie eines Tages weg warf, während Nikki in der Schule war. Es dauerte sehr lange, bis er ihr dafür vergeben konnte und fast ebenso lange, bis er ein neues Vorbild fand.

Der Alte faszinierte ihn. Nikki verbrachte viele Stunden damit, ihm zuzusehen und die Geschicklichkeit seiner Hände zu bewundern. Irgendwann bemerkte ihn der Alte und fragte ihn, warum Nikki ihm zu sah.
"Ich will auch Zauberer werden!" sagte der Junge.
Der Alte lachte nur. Doch als ihm klar wurde, dass Nikki nicht aufhörte, ihn zu beobachten, brachte der Alte ihm nach und nach seine Tricks bei.

Nikki war Sehr geschickt mit den Händen und bald der beste Schüler des Alten. Der zahlte ihm dafür ein hübsches Taschengeld, viel mehr, als jeder seiner Klassenkameraden verdiente. Damit konnte Nikki sich ein nettes Leben leisten. Seine Mutter schüttelte darüber nur den Kopf.aber auch das war kein Problem, denn er zog einfach aus.

Als die Arthritis dem Alten seine Hände raubte, nahm Nikki seinen Platz ein. Inzwischen beherrschte er nicht nur jeden seiner Tricks, sondern auch das Publikum. Das zweite wichtige Standbein eines richtigen Zauberers, wie ihm der Alte immer wieder erklärt hatte.

Heute ließen Nikki die klugen Sprüche des Alten jedoch im Stich. Heute hatte er im Korridor D seinen Tisch aufgebaut und legt naive Neuankömmlinge mit dem guten alten Hütchenspiel herein. “Der Klassiker”, hatte der Alte immer gesagt. “Man muss nur das richtige Opfer finden.” Bisher hatte Nikki immer eine gute Nase bei der Wahl gehabt, doch sein letztes Opfer machte ihm Kopfzerbrechen. Es war ein junger Mann in altmodischer Kleidung, so ein richtiger Hinterwäldler eben, vermutlich von einem Agroplaneten, von dem niemand im zivilisierten Universum je gehört hatte. Nikki setzte alle Tricks des Alten ein, aber der Hinterwäldler fand die Erbse jedes Mal. Selbst als Nikki die Erbse mit den Fingern festhielt, während er das Hütchen hoch hob, fand der Hinterwäldler sie. Es gab Streit und als auch noch die Sicherheitsleute im Korridor auftauchten, beschloss Nikki, das es klüger war, dem Hinterwäldler seinen Gewinn auszuzahlen, anstatt es mit der Sicherheit aufzunehmen. Was waren ein paar Chips gegen eine Nacht im Knast?

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Während der Hütchenspieler seinen Klapptisch einpackte und eilig in die andere Richtung davon hastete, zählte Taron seinen Gewinn. Davon konnte er sich sicher etwas Leckeres zum Abendessen leisten. Dirika hatte recht. Was für ein seltsames Spiel und was für ein seltsamer Mann.

@Teja: Tja, solche Tricks funktionieren also sogar noch in ferner Zukunft.

Zitat von Teja im Beitrag #8

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@Elatan Was für ein unheimliches Buch. Hat der Magier sein Ziel jemals erreicht?

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Vermutlich nicht.