#1 Urlaubsorte von Nharun 23.06.2020 22:33

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Urlaubsorte

Die große Imaginariums-Sommeratkion


Sommerzeit = Urlaubszeit - doch die Pandemie hat viele Reisepläne zu nichte gemacht. Aber das ist doch kein Problem für einen echten Weltenbauer! Stell uns doch einfach einen konkreten Ort in deiner Welt vor, wo man sich erholen kann, wo spannende Touren warten, interessante historische Stätten besichtigt werden, wunderschöne Landschaften bewundert werden oder Partynächte durchgefeiert werden. Präsentiere dem Forum deinen Urlaubsort als Reisebroschüre, Erlebnisbericht, Postkarte oder was auch immer dir einfällt, dass sich hier posten oder anhängen lässt und gib uns so die Möglichkeit, einen kleinen Urlaub in deiner Welt zu verbringen!

#2 RE: Urlaubsorte von Amanita 24.06.2020 07:44

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Schöne Idee.
Wäre eigentlich auch ein etwas längerer Reisebericht möglich, wo verschiedene Orte auf einer Rundreise beschrieben werden? Das würde sich bei mir nämlich anbieten, um auch ein paar Gegensätze darzustellen.

#3 RE: Urlaubsorte von Nharun 24.06.2020 09:34

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Ja klar, tob dich aus!

#4 RE: Urlaubsorte von Elatan 24.06.2020 09:53

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Zitat von Amanita im Beitrag #2
Wäre eigentlich auch ein etwas längerer Reisebericht möglich, wo verschiedene Orte auf einer Rundreise beschrieben werden? Das würde sich bei mir nämlich anbieten, um auch ein paar Gegensätze darzustellen.

Darüber würde ich mich definitiv freuen!

#5 RE: Urlaubsorte von Teja 24.06.2020 11:31

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Finde ich auch eine gute Idee, @Amanita !

#6 RE: Urlaubsorte von Amanita 24.06.2020 22:49

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Danke für den Zuspruch, dann fange ich gleich mal an.
Das gibt mehrere kürzere Abschnitte, die ich einzeln posten werde. Das soll aber niemanden abschrecken, ich glaube nicht, dass man hier im Thread so leicht den Überblick verliert und ich versuch mich dann mal an einer schönen Auflistung hier im ersten Beitrag, wenn es mehr geworden sind.

Tag 1_Somi Dava (Elavien)
„Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen guten Morgen. Entschuldigen Sie die Störung, aber wir erreichen jetzt bald den Eranu Kashrah-Bahnhof und dort hat unser Zug Endstation. Dann wird der Zug gewartet und danach geht es zurück nach Wariona.“
Regina schlug schlaftrunken die Augen auf. Eigentlich war sie sich sicher gewesen, dass es ihr überhaupt nicht gelingen würde im Zug zu schlafen. Offensichtlich hatte sie aber genau das getan und währenddessen hatte dieser den langen Weg von der arunischen Hauptstadt in die elavische Hauptstadt Somi Dava zurückgelegt. Die erste Station auf der Rundreise durch Elavien und Sarilien, die Regina zusammen mit ihrer Freundin Mustelina, genannt Telia geplant hatte.
Telia rappelte sich ebenfalls auf. „Vielen Dank fürs Wecken“, sagte sie zu der netten Zugebegleiterin.
„Keine Ursache“, sagte diese. „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Aufenthalt.“
Durchs Fenster sah Regina nun einen der großen Märkte von Somi Dava. Da wollten sie auf jeden Fall hin, um einen der typischen, äußerst bunten elavischen Schals als Andenken zu kaufen. Von den Lebensmitteln rieten die Ratgeber Touristen jedoch eher ab, weil die einfachen Elavier nicht allen in Arunien üblichen Hygienevorschriften folgten und es deswegen schnell passieren konnte, dass man sich den Urlaub durch eine unangenehme Infektion verdarb.
Warnungen hatten die beiden vor ihrer Reise sowieso jede Menge mitbekommen. Unter anderem sollte sie trotz des heißen Wetters auf keinen Fall schulterfreie Oberteile oder kurze Röcke tragen, da elavische Männer sie dann als unanständig betrachten und entsprechend behandeln würden. Regina hielt zwar nicht viel von solchen Vorstellungen, hatte aber trotzdem vor sich daran zu halten. Ihren Job in einer Feuerwerksfabrik konnte sie schließlich auch nicht im Minirock machen.
An die Arbeit wollte sie jetzt jedoch nicht denken, genauso wenig wie an den Alchimistenzirkel, der bald auch noch die Wochenenden der beiden beanspruchen würde. Dies war vermutlich für lange Zeit die letzte Gelegenheit, einmal etwas völlig anderes zu machen.

In Wariona war schon viel los, aber Somi Dava wirkte noch viel voller. Dieser Eindruck bestätigte sich auch, als sie schließlich den Bahnhof erreichten hatten und ausstiegen. Überall wimmelte es von Menschen, manche waren mit Sack und Pack unterwegs, vielleicht stammten sie vom Land und wollten in die Stadt ziehen. Überall versuchte jemand, den beiden Waren oder irgendwelche Dienstleistungen anzubieten. Regina lehnte jedoch alles ab. Ihren Koffer gab sie schon in Arunien nicht gerne aus der Hand und erstrecht nicht in einem fremden Land. Am Bahnhof hielten sich auch sehr viele Bettler auf, die wohl auf die Großzügigkeit der Touristen hofften.
Das Wetter war wirklich drückend heiß. Solche Temperaturen wurden in Arunien schon als Katastrophe beschrieben, hier waren sie jedoch normal. Zu ihrer Erleichterung fanden die beiden aber recht bald den Taxistand des offiziellen Somi Davaer Unternehmens, das sie zum Hotel bringen sollte. Die beiden waren der Empfehlung gefolgt, in Somi Dava lieber in ein internationales Hotel zu gehen, auf den weiteren Stationen ihrer Reise hatten sie jedoch auch Privatunterkünfte gebucht.
Das Taxi verfügte über eine Klimaanlage und der Fahrer brauchte sie tatsächlich ohne größere Umwege zum Hotel. Dabei kamen sie jedoch nur sehr langsam voran, da es in Somi Dava offenbar an klaren Verkehrsregeln fehlte. Autofahrer, Busse, Radfahrer und Fußgänger teilten sich die Straße mit Reitern und von Ochsen oder Eseln gezogenen Karren. Regina hatte kurz überlegt, ob sie einen Mietwagen leihen sollte, doch bei diesem Verkehr war sie froh, dass sie sich dagegen entschieden hatte.
Die Zufahrtsstraße zum Hotel war jedoch etwas ruhiger. Es war von einem Park umgeben, am Tor mussten die beiden ihre Buchungen vorlegen, der Fahrer seine Lizenz, dass er Besucher zum Hotel bringen durfte.
Der Park war schön grün, für Reginas Geschmack aber fast etwas zu akkurat. Das Hotel selbst war ein mehrstöckiges, hell gestrichenes Gebäude. Der Taxifahrer setzte die beiden ab und verlangte eine Summe, die soweit Regina wusste in Ordnung war. Sie gab auch noch ein Trinkgeld dazu, der Mann bedankte sich und fuhr davon.
Die beiden zeigten an der Rezeption ihrer Buchungen vor und bekamen ihre Schlüsselkarten überreicht.
„Ein bisschen abgehoben ist das ja schon“, sagte Telia leise.
„Schon, aber wir hatten Glück, dass wir ein günstiges Angebot bekommen haben und wenn es so sicherer ist.“
Regina zuckte mit den Schultern. Im Gegensatz zu ihr ging ihre Freundin noch zur Schule und ihre Eltern hatten sich nur mit Mühe dazu überreden lassen, ihr diese Reise ins gefährliche Ausland zu erlauben. Die beiden Freundinnen waren sich jedoch einig, dass Elavien und Sarilien viel spannender waren als beispielsweise Ruaris, auch wenn Telias Eltern eine Reise dorthin mit weniger Bedenken erlaubt hätten. Soweit Regina wusste, war in Ruaris aber alles genauso wie in Arunien, außer dass die Leute eine andere Sprache hatten und dem Militär kritischer gegenüberstanden.
Das Hotel verfügte jedenfalls über eine Klimaanlage, die eine angenehme Temperatur einstellte. Das Zimmer der beiden gehörte zur einfachsten Kategorie, war aber trotzdem klimatisiert und sauber. Durchs Fenster konnten sie über den Park sehen, in der Ferne war der Palast des Daruhs von Somi Dava zu sehen. Diese Sehenswürdigkeit wollten die beiden am nächsten Tag besuchen.

#7 RE: Urlaubsorte von Amanita 02.07.2020 07:48

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Teil 2

Nach dem Auspacken beschlossen die beiden, sich die nähere Umgebung des Hotels etwas genauer anzuschauen. Von dem, was es dort zu sehen gab, waren sie allerdings leicht enttäuscht. Viel Glas und Beton, abgesehen davon, dass die Leute Elavisch sprachen, unterschied sich das Ganze nicht wesentlich von Wariona. Die Männer liefen sogar in dunklen Anzügen herum, nur die Frauen brachten mit ihren bunten Herigas etwas Farbe ins Spiel. Zumindest manche von ihnen. Einige hatten sich auch für Kostüm oder Hosenanzug entschieden, obwohl Regina sich das bei diesem Wetter unerträglich heiß vorstellte, genau wie die Anzüge der Männer. Viel Zeit draußen im Warmen mussten sie jedoch nicht verbringen, denn alle Gebäude hatten eine Klimaanlage und auch in der U-Bahn waren die Wagons klimatisiert, ein Service, der in Arunien nicht selbstverständlich war, allerdings wurde es dort nur an einigen Tagen im Sommer richtig heiß.
Von Entschleunigung war hier keine Spur, alle schienen es sehr eilig zu haben und viele der Passanten hatten gleichzeitig noch ein Handy am Ohr. Die Straßen gehörten den Autos, die größtenteils von teuren arunischen und ruarischen Marken waren.
Die beiden beschlossen, nach Bekleidungsgeschäften Ausschau zu halten, um sich ebenfalls Herigas zuzulegen. Für das hiesige Klima war das einfach die beste Bekleidung und sie konnte sich sicher sein, dass sie nicht unangenehm auffallen würden. Als sie die Preise im Schaufenster sahen, war jedoch schnell klar, dass dies hier ihr Budget übersteigen würde. Wer hatte eigentlich behauptet, dass in Elavien alles sehr günstig wäre?
„Ich glaube, das ist hier auch einfach so ein Bonzenviertel“, meinte Telia. „Vielleicht sollten wir in die Stadt reinfahren.“
Die beiden hatten noch jede Menge Zeit bis zum Abendessen im Hotel, also beschlossen sie, die U-Bahn zu nehmen und in die Innenstadt von Somi Dava zu wechseln. Mit ihrer Gästekarte konnten sie beliebig oft fahren und ohne Gepäck und tagsüber sprach auch nichts dagegen.
Zehn Minuten später erreichten die beiden die Altstadt von Somi Dava. Hier war, wie sie schon vom Taxi aus gemerkt hatten, viel mehr los und alles lief weniger geordnet ab.
Regina und Telia zogen einige Aufmerksamkeit auf sich. Viele der Passanten starrten sie an und sagten irgendetwas über sie, was sie aber mangels Elavisch-Kenntnissen nicht verstehen konnten. Immer wieder versuchte jemand, ihnen Dienstleistungen wie eine Stadtführung anzubieten. Während es so etwas in der Nähe des Hotels überhaupt nicht gegeben hatte, sahen sie hier auch immer wieder Bettler. In Arunien waren die meisten Obdachlosen Männer, hier bettelten jedoch auch sehr viele Frauen und Kinder. Zuerst gab Regina ihnen jedes Mal ein paar Münzen, aber es waren so viele, dass sie das unmöglich beibehalten konnte. Die Elavier selbst ignorierten die Bettler meist und Regina fragte sich, wie sie von dem, was sie hier bekamen, überhaupt überleben konnten.
Gerade die elavischen Kinder waren sehr neugierig und hatten keine Hemmung, die beiden Touristinnen anzustarren, oder mit dem Finger auf sie zu zeigen. Ein kleines Mädchen zog sogar an Reginas Haaren. Die Mutter kam herbeigeeilt und schimpfte ihre Tochter aus. Bei Regina und Telia entschuldigte sie sich in gebrochenem Arunisch und erklärte, dass ihre Tochter Reginas Haare so faszinierend fand und wissen wollte, ob sie wirklich echt waren. Die Kleine schaute verschmitzt zwischen den Beinen ihrer Mutter hervor und Regina konnte ihr nicht wirklich böse sein.
Der Individualabstand schien den Elaviern allgemein nicht so wichtig zu sein, jedenfalls zwischen Menschen desselben Geschlechts. Regina wurde ständig angetippt, oder zur Seite geschoben. Zuerst fand sie das etwas irritierend, aber dann dachte sie sich, dass sie in Elavien war und das dann akzeptieren musste, untereinander machten die Elavier das schließlich auch so.
Bald erreichten sie den Markt, wo sich sofort mehrere Kleidungshändlerinnen um sie scharten und versicherten, dass sie die günstigsten und besten Herigas im Angebot hätten, während die anderen nur schlechte und teure anbieten würden.
Regina bat sie darum, ihnen ihr Angebot zu zeigen und fragte nach den Preisen, die hier tatsächlich nur einen Bruchteil dessen betrugen, was sie in der Nähe des Hotels hätten zahlen müssen. Wenig später war Regina im Besitz von drei Herigas in hellblau, dunkelblau und rosa, Telia wurden neben hellblau eher grüne Farbtöne empfohlen, vor allem ein Heriga in hellgrün mit dunkelgrünem Blattmuster gefiel ihr besonders gut. Der Stoff war viel leichter und fließender als bei arunischer Kleidung und der lockere Schnitt führte nicht nur dazu, dass der Anstand gewahrt wurde, sondern war bei der Hitze auch sehr angenehm.
Regina wusste, dass sie vermutlich noch hätten handeln müssen, aber da sie für drei komplette Herigas mit Hose, Oberteil und Schal nur so viel bezahlen sollte, wie für ein günstiges Oberteil in Arunien, hielt sie das nicht für notwendig.
Endlich mit passender Kleidung ausgestattet, schlenderten die beiden weiter über den Markt, zügiges Fortkommen war hier nicht mehr möglich. Außer Kleidung wurden auch noch Haushaltsgegenstände und Lebensmittel verkauft, Obst, Gemüse, Gewürze und so viele unterschiedliche Sorten von Hülsenfrüchten, wie Regina noch nie gesehen hatte. Ein stand bot auch lebendige Insekten als Lebensmittel an. Regina wusste, dass dies bei den Elaviern, die keine Wirbeltiere töten durften, eine wichtige Eiweißquelle war, verzichtete aber trotzdem auf einen ausgiebigen Besuch.
An einem der Stände wurden verschiedene Kräuter angeboten und Regina konnte sich des Verdachts nicht erwehren, dass die zumindest in Arunien nicht alle vollkommen legal waren. Sie beschloss aber, sich nicht weiter damit aufzuhalten, vielleicht galten da in Elavien auch andere Regelungen.
Trotz des Gewühls und der vorherigen Warnungen, fühlte sie sich hier in der Altstadt inzwischen völlig sicher und die beiden kehrten erst zum Abendessen ins Hotel zurück, wofür sie gleich ihre neuen Herigas ausprobierten. Es gab ein üppiges Buffet mit verschiedensten elavischen Köstlichkeiten und Regina überwand sich doch dazu, auch von den gebratenen Grillen zu probieren, die besser schmeckten, als sie gedacht hatte.

#8 RE: Urlaubsorte von Amanita 04.07.2020 15:54

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Tag 2 (Somi Dava, Elavien)

Am nächsten Tag hatten Regina und Telia eine Führung im berühmten Madori-Palast gebucht, der jahrhundertelang der Sitz der elavischen Herrscher gewesen war und heute immer noch Besucher aus aller Welt anlockte.
Zunächst gab es jedoch Frühstücksbüffet im Hotel. In Elavien war Linsensuppe offenbar das übliche Frühstücksgericht für den Alltag, was Regina allerdings doch etwas zu fremdartig vorkam. Da das Hotel viele internationale Gäste hatte, gab es jedoch auch Brot mit Käse oder Marmelade und einen Aufstrich mit Honig und Zitrone, der wohl auf Basis von weißen Bohnen hergestellt worden war. Die Kombination hörte sich für Regina zunächst ziemlich gewagt an, aber als sie das Gericht probierte, fand sie es richtig lecker.
So gestärkt machten sich die beiden auf den Weg zur U-Bahn. In der Stadtmitte, wo sie beim letzten Mal ausgestiegen waren, mussten sie dieses Mal in einen anderen Zug einsteigen, der sie zum Madori-Palast brachte. Dort erwartete sie eine lange Schlange vor den Toren, schließlich mussten die Eintrittskarten gekauft oder zumindest überprüft werden. Regina hörte diverse Sprachen, offensichtlich waren sie auch nicht die einzigen Arunier. Eine Landsfrau regte sich lautstark über die langen Wartezeiten auf, was Regina etwas peinlich war. Sie waren hier schließlich im Urlaub und hatten keinen vollgestopften Terminplan. Der Blick auf die riesige Palastanlage war jedenfalls eindrucksvoll und irgendwann kamen die beiden auch an die Reihe und konnten sich auf dem Palasthof ihrem Fremdenführer anschließen. Der Hof war komplett gepflastert, an den Palastmauern führte jedoch ein durch Säulen abgegrenzter, überdachter Gang entlang, dessen Wände mit bunten Mosaiken verziert waren.
Der Fremdenführer stellte sich vor und erzählte dann, wie lange es gedauert hatte, diese Mosaike zu machen und dass der Hof so groß und leer war, um Besucher zu beeindrucken und den Reichtum der Daruhs von Somi Dava zu präsentieren. Sie erfuhren auch, dass dies erst Generationen nach Madori so gestaltet worden war. Er selbst hatte auch vor dem Palast einen Garten anlegen lassen und den heutigen Schlosspark hinter der Anlage noch zum Anbau von Nahrungsmitteln genutzt. Nach seinen Kriegserlebnissen hatte er es nämlich als Sünde betrachtet, so viel furchtbares Land in der Stadt zu verschwenden, obwohl das auch genutzt werden konnte, um Hungersnöten vorzubeugen. Zu Madoris Zeiten war der Palast den Untertanen in Not immer offen gestanden, denn er hatte sich den Elaviern verpflichtet gefühlt. Bei seinen Nachkommen hatte sich dies jedoch immer mehr geändert und im Lauf der Jahre hatte sich eine kleine Adelsschicht entwickelt, die nur mit sich selbst beschäftigt war, wie es vor dem Krieg schon gewesen war.
Regina war sich nicht so sicher, welchen Krieg er überhaupt meinte. Bisher hatte sie immer geglaubt, dass die Geschichte von Madori Teil der elavischen Mythologie war und eher wenig mit der Realität zu tun hatte, aber hier schienen die Leute zu glauben, dass es Madori wirklich gegeben hatte. Vielleicht würde es sich lohnen das nachzulesen, wenn sie wieder nach Hause kam, schließlich gab es darüber sicherlich Erkenntnisse, sie hatte sich nur nie mit dem Thema beschäftigt.
Auch als Folge des untereinander Heiratens waren die Adligen mit der Zeit für die Herrschaft immer ungeeigneter geworden, die Regierungsweise grausamer und die Lebensweise dekadenter. Dafür hatten sie immer mehr Geld gebraucht und der rücksichtslosen Ausbeutung ihres Landes durch fremde Geschäftsleute zugestimmt und sogar der Zwangsverpflichtung für junge Elavier im Arunisch-Ruarischen Krieg mitzukämpfen, auf der Seite, des Landes, aus dem die dort ansässigen Unternehmen stammten.
Von diesem eher unrühmlichen Kapitel hatte Regina im Geschichtsunterricht gehört, der Arunisch-Ruarische Krieg war dort ein großes Thema, schließlich war es der letzte Krieg gewesen, der Arunien auch auf heimischem Boden betroffen hatte. Im Unterricht wurde allerdings impliziert, dass nur die Ruarier zwangsverpflichtete Elavier für sich kämpfen ließen, während die Arunier freiwillige Unterstützung gegen das despotische Lamkiss-Regime bekamen. Dem Fremdenführer schien da jedoch kein bedeutender Unterschied zwischen den beiden Kriegsparteien bekannt zu sein.
Als Folge dieser Vorgehensweise, auch durch den brutalen Krieg gezeichnet, hatten die Elavier jedoch genug von ihren adligen Herrschern und diese wurden im Rahmen einer weitgehend friedlichen Revolution gestürzt, ein historisches Ereignis, von dem Regina ebenfalls in der Schule gehört hatte. Aus dem Mund des elavischen Fremdenführers hörte sich das Ganze jedoch noch wesentlich heroischer an. Auch er gab jedoch zu, dass es im heute demokratischen Elavien immer noch Probleme mit Ungleichheit und Korruption gab, wogegen auch eine große Protestaktion auf dem Platz der Revolution lief, wo es seit jener erlaubt war, in Sichtweise des Parlamentsgebäudes zu demonstrieren.
Regina und Telia beschlossen, sich das auch noch anzuschauen. In Arunien gab es natürlich auch ein Demonstrationsrecht, allerdings keinen festen Platz dafür und schon gar nicht in der Nähe des Parlamentsgebäudes. Zunächst ließen sie sich jedoch den beeindruckenden Thronsaal, den Speisesaal und die riesige Palastküche zeigen. Auch die Kerker im Keller wurden gezeigt, genau wie der abgeschottete Bereich für die Damen des Hofs, der zwar wesentlich luxuriöser eingerichtet war, aber einen ähnlichen Zweck erfüllte. Dahinter schloss sich ein Garten mit Blumen und Obstbäumen an, der durch eine Mauer vom restlichen Schlosspark abgetrennt war und den Damen vorbehalten gewesen war. Regina fand den Garten zwar sehr schön, war aber trotzdem heilfroh, dass sie nicht das eingeschränkte Leben einer elavischen Adligen führen musste.
Zum Schluss der Führung besichtigte die Gruppe noch den Schlosspark mit geometrisch angeordneten Blumenbeeten und Wasserspielen. Der Rasen wurde hier offensichtlich regelmäßig bewässert, denn er war tiefgrün, während das Gras in Somi Dava sonst um diese Jahreszeit eher dürr aussah.
Nach der Schlossführung fuhren die beiden zurück in die Innenstadt und stellten sich in die lange Schlange vor einem Imbiss, der mit einer scharfen Bohnen-Kartoffelmischung gefüllte Teigtaschen anbot. Laut ihren Reiseführern war es sinnvoll dort zu essen, wo es auch die Einheimischen taten und das schien hier der Fall zu sein. Regina und Telia bestellten beide noch eine große Flasche Wasser dazu, denn die Schlosstour hatte durstig gemacht. Das erwies sich als gute Entscheidung, denn die Teigtaschen waren auch in der angeblich milden Version ziemlich scharf. Regina wollte lieber nicht wissen, wie die scharfen Taschen schmeckten.
Nach der Mittagspause schauten sich die beiden noch den Platz der Revolution an. Wie der Schlossführer schon gesagt hatte, erhielt eine Demonstration gegen die Korruption in Elavien besonders viel Aufmerksamkeit. Mehre Teilnehmer waren in einen Hungerstreik getreten und wollten nichts mehr essen, solange kein neues Antikorruptionsgesetz kam. Zahlreiche Schaulustige, aber auch Journalisten sammelten sich um den Stand. Soweit Regina das verstehen konnte, waren die allermeisten Leute derselben Meinung wie die Demonstranten und wollten sie unterstützen. Korruption schien in Elavien wirklich ein lästiges Problem zu sein, oder es kam den Leuten zumindest so vor.
An einem anderen Demonstrationsstand demonstrierten Frauen für ein Verbot von Zwangsehen und härtere Strafen für Vergewaltiger. Außerdem wollten sie dafür sorgen, dass auch Witwen wieder heiraten durften. Bisher war dies in Elavien wohl nur in Ausnahmefällen gestattet, weil die Elavier der Meinung waren, dass eine Ehe fürs ganze Leben zu gelten hatte. Allerdings wurde das bei Männern wohl lockerer gehandhabt, weil man davon ausging, dass sich anders „unzüchtiges“ Verhalten nicht verhindern ließ. Regina vermutete, dass damit der Besuch von Prostitutierten und unehelicher Geschlechtsverkehr gemeint war. Offenbar trauten die Elavier Frauen eher zu, ohne diesen auszukommen.
Regina und Telia fanden die Forderungen der Demonstrantinnen alle sehr vernünftig, wollten sich da aber auch nicht einmischen, schließlich war das Sache der Elavier.
Die beiden anderen Demonstrantengruppen, die ebenfalls noch hier waren, protestierten wegen Umweltschutzthemen. Ein Bergbaukonzern wollte offenbar eine neue Mine erschließen und dafür mehrere Dörfer umsiedeln, was die Bewohner der Dörfer verständlicherweise nicht wollten. Offenbar waren die angebotenen Entschädigungen auch sehr niedrig, aber die meisten Dorfbewohner wollten auch dann nicht gehen, wenn sie mehr bekommen würden.
Regina dachte sich, dass die Elavier hier auch unter ihrer Ablehnung der Elementarmagie zu leiden hatten. In Arunien gab es nur noch elementarmagiegestützten Bergbau, alles andere war gar nicht mehr genehmigungsfähig. Die Elavier verließen sich aber lieber auf die Ausbeutung von Arbeitern und nahmen Schäden an der Umwelt in Kauf, anstatt die ihrer Meinung nach „böse Kunst“ zu nutzen. Fairerweise musste man allerdings zugeben, dass arunische Konzerne da bereitwillig mitmischten und gerne billig in Elavien produzierten. Ungelernten Arbeitern musste man schließlich wesentlich weniger bezahlen als Elementarmagiern.
Der letzte Demonstrationsstand wurde vom Grünen Aufbruch betrieben, einer Umweltschutzorganisation, die in ganz Silaris tätig war. Hier wurden gegen den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft protestiert. Der junge Mann am Stand sprach fließend Arunisch und versuchte Regina und Telia von seinem Anliegen zu überzeugen.
„Jährlich sterben in Elavien um die 1000 Menschen durch Pestizide, manche durch Straftaten oder Suizide, aber die meisten durch Unfälle. Die Vertreter internationaler Konzerne versprechen den Leuten das Bauern vom Himmel herunter und die kaufen das Zeug, weil sie glauben, dass sie dann mehr ernten können. Natürlich steht auf den Verpackungen, wie man es anwenden soll und welche Gefahren drohen, aber die meisten Kleinbauern hier können überhaupt nicht lesen.“
„Das ist natürlich nicht in Ordnung“, sagte Regina. „Die Leute sollten zumindest richtig geschult werden, bevor sie so etwas kaufen können.“
„Am besten das Zeug überhaupt nicht verkaufen. Man muss sich nur Ultiria mit ihren Organophosphaten anschauen. In Ruaris, Temira, Dageyra und Avechain ist das Zeug aus Sicherheitsgründen verboten, aber hier wird es munter weiter vertrieben. Wer damit in Kontakt kommt stirbt, leidet ein Leben lang unter schweren Nervenschädigungen, oder wird zum Phosphormagier.“
Diese Aufzählung klang für Regina ein bisschen wie: „Mord, Vergewaltigung, karierte Kniestrümpfe zum Rock tragen.“ Phosphormagierin zu sein war alles andere als ein dramatisches Schicksal, wie Regina aus eigener Erfahrung sagen konnte. Sie bemerkte es nicht einmal, wenn sie nicht bewusst darauf achtete. Magie-ablehnende Elavier könnten es also einfach ignorieren.
Sie sah aber keinen Sinn darin, mit dem Mitarbeiter vom Grünen Aufbruch darüber zu diskutieren. Auch in Arunien war diese Organisation dafür bekannt, dass sie mit der Elementarmagie eher auf Kriegsfuß standen.
Die beiden verabschiedeten sich höflich und gingen weiter zum Parlamentsgebäude, das sie zumindest von außen anschauen konnten, ohne dabei das Misstrauen der patrouillierenden Polizisten auf sich zu lenken.
Danach setzten sie sich noch in einem nahe gelegenen Park in den Schatten und verbrachten dort den heißen Nachmittag, bevor sie sich auf den Rückweg zum Hotel machten. Am nächsten Tag würden sie Somi Dava verlassen und mit dem Zug zu ihrem nächsten Ziel, dem Luftkurort Ves Karella aufbrechen.

#9 RE: Urlaubsorte von Elatan 17.07.2020 12:10

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So, jetzt komme ich endlich mal zum Kommentieren! @Amanita, der Reisebericht ist wirklich sehr interessant und ich finde, dass diese Form, uns das Land zu zeigen, hervorragend ist, um einen besseren Eindruck zu erhalten. Elavien scheint ja durchaus einige Probleme zu haben und ich glaube, dass ich es nicht ganz oben auf meine Liste der Länder setzen würde, die ich bereisen will, aber umso besser ist es, dass du uns darum hier davon erzählst! Was genau sind eigentlich Herigas?

#10 RE: Urlaubsorte von Teja 17.07.2020 18:49

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Ein sehr schöner Reisebericht, @Amanita . Durch die Erzählweise ist man gleich viel näher am Geschehen!

#11 RE: Urlaubsorte von Amanita 18.07.2020 09:08

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Danke für eure Kommentare. Die Reise der beiden wird auch noch weitergehen, aber die letzten Wochen war ich leider ziemlich im Stress, sodass ich nicht dazu gekommen bin. Vielleicht jetzt am Wochenende.
Herigas sind die typische, elavische Frauenkleidung. Eine weite Hose, darüber ein etwa knielanges Oberteil mit Schlitzen an der Seite und dazu ein großes Tuch, das als Schal oder Schleier verwendet werden kann. Ein bisschen ähnlich wie der Salwar Kameez in Südostasien. (Das las sich für mich recht logisch als Kleidungsstück, das für warme Temperaturen geeignet ist, alles bedeckt und dazu noch praktisch ist.)

#12 RE: Urlaubsorte von Teja 19.07.2020 21:49

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Ich dachte da auch an Shalwar Kameez, wollte aber nicht klugscheißen.

Ich habe mich auch mal an einem Eintrag versucht in Form von einem Briefwechsel:




Liebster Bruder,

am heutigen Tag erreichten wir endlich das Gasthaus zu den drei Linden. Endlich kann ich ein wenig ausruhen! Das Gasthaus liegt gleich am Ufer der Umer, auf einem mächtigen Felsblock. Die Besitzer haben eine Weinlaube erbaut, so dass man von dort aus über den Fluss blicken kann, während man im kühlen Schatten sitzt.
Vor mir auf dem Fluss sehe ich einige Boote, offenbar ist die Umer doch recht gut befahren. Ich frage mich, ob ich beim nächsten Mal nicht die Reise zu Schiff wähle, scheint sie mir doch angenehmer, als die in der Kutsche. Die Straßen sind zwar recht gut ausgebaut, aber doch beschwerlich. Außerdem weiß man nie, welchem Gesindel man begegnet. Auf dem Wasser gleitet man hingegen nur so dahin.
Das Wetter ist herrlich hier. Die Sonne scheint, doch brennt sie nicht so sehr, wie in der Stadt. Gerade genieße ich in Blätter gewickelte Flusskrebse mit einem schaumigen, süßen Getränk. Köstlich bei diesem Wetter!
Die Wirtsleute hier sind sehr zuvorkommend. Sie beantworten sogar recht bereitwillig Fragen über die doch recht düstere Geschichte ihres Hauses. Du hast sicher schon davon gehört, dass hier etwas in der Luft liegen soll, dass immer wieder Gäste tot aufgefunden werden oder versterben, kaum, dass sie das Gasthaus verlassen haben. Natürlich musste ich den Wirt dazu befragen und er versicherte mir, dass all dies nur Gerüchte seien und er natürlich allerhöchste Sorgfalt bei der Zubereitung der Speisen walten ließe. Immerhin habe er einen Ruf zu verlieren.
Seine Beteuerungen erschienen mir glaubwürdig, zumal niemand weiß, dass ich hier weile. Außerdem fühle ich mich nicht mordlüsterner als sonst.
Gerne würde ich noch tiefer in die Geschichte des „Mordhauses“ eintauchen, doch mir fehlt dafür die Zeit. Wie du weißt, bin ich auf dem Weg zu den Weingütern meiner Familie, die gar nicht weit von hier liegen. Doch bevor ich mich wieder mit den Büchern dort befassen muss, wollte ich einen Abstecher machen und ein wenig das Leben genießen, das doch viel zu kurz ist. Gerade jetzt wird mir das schwerlich bewusst. In der Hauptstadt muss man derzeit wirklich sehr darauf achten, in welcher Gesellschaft man sich aufhält, wenn man nicht vor der Inquisition landen will. Zu viele von Vaters alten Freunden mussten schon ihr ganzes Hab und Gut hergeben, um dem Tod auf der Sonnenkugel zu entgehen.
Doch ich will dich nicht mit solchen Schreckgeschichten ängstigen. Wir hier sind der Kaiserin allesamt treu ergeben.

Liebste Grüße,
Deine Brelin

Liebe Brelin,

ich habe deinen Brief am 15. Tag des sechsten Monats erhalten, mitten in der Trockenzeit. Wie herrlich es doch wäre, mit dir in einer Weinlaube zu sitzen! Ich sehne mich nach einem guten Tropfen. Die Menschen hier wissen so etwas einfach nicht zu schätzen.
Sorge dich nicht um meine Gesundheit, das Klima hier tut mir doch sehr gut. Wenn die Regenzeit wieder einsetzt, werde ich nach Harbadh segeln, wo es dann immer noch trocken ist. Diese Stadt ist mir immer noch in angenehmer Erinnerung, mit den seltsam geformten Lehmtürmen, die allesamt aussehen, als wären sie gegossen worden und nicht etwa erbaut. Ein wunderbarer Ort für Architekturliebhaber.
Derzeit jedoch muss ich mich um die Geschäfte hier in Jamarra kümmern. Kürzlich brachte ich einige Dinge in Erfahrung, die mir ein sehr lukratives Geschäft ermöglichen sollten. Daher werde ich bald in den Osten aufbrechen, nach Cir. Dort soll das Leben so bequem sein, dass niemand harte Arbeit verrichten muss, kannst du dir das vorstellen? Dafür mögen es die Cirenen gar nicht, wenn man mit ihren Frauen Umgang pflegt, habe ich gehört. Sie sollen allesamt Hexen sein. Kein Wunder, wenn sich dort die Männer vor der Zauberkunst fürchten.
Wie du siehst, komme ich also ganz schön herum. Im letzten Jahr erst war ich zu Besuch in Usbat. Die Leute dort leben auf ihren Schiffen, kannst du dir das vorstellen? Sie haben hunderte davon zusammengebunden und nennen das eine Stadt. Ich muss jedoch gestehen, dass ich selten so gut gegessen habe. Die Kochkunst in Usbat ist unbestreitbar die beste, die ich je erlebt habe. Die Küche hier in Jamarra ist nichts dagegen.
Die Nachrichten über die Inquisition sind sogar bis hierher vorgedrungen. Ich bin sehr froh, dass du zu den Weingütern abgereist bist. Prüfe die Bücher lieber sehr sorgfältig und lass dir dafür ruhig Zeit!

Dein Bruder Karan

#13 RE: Urlaubsorte von Elatan 21.07.2020 12:34

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@Teja: Oh, das Gasthaus kommt mir bekannt vor! Die Geschichte erzähltest du mal, oder? Kannst du sie nochmal im Literaturboard posten oder verlinken? Die in den Briefen erwähnten Orte klingen alle interessant und ich würde mich freuen, über jeden mehr zu erfahren. Grade die Lehmtürme sehen bestimmt toll aus. Du könntest sie ja mal zeichnen...

#14 RE: Urlaubsorte von Teja 21.07.2020 14:17

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Ja, das war mal eine Adventskalendergeschichte, kann ich gerne nochmal posten. Viele der erwähnten Orte wollen mal in einem Roman vorkommen, vielleicht stelle ich sie mal gründlicher vor. Die Lehmtürme habe ich von alten Sandkastenspielen: Sand und Wasser mischen und Tropfen für Tropfen aufeinander. Mit dem richtigen Mischungsverhältnis kriegt man ein Türmchen.

Edit: Ich habe Das Treffen mal ins Literaturboard.

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