Danach hatte Corin seine Mittagspause und am Nachmittag ging es auf der Elementarmagierstation weiter. Zunächst stand dort seine Sprechstunde auf dem Programm. Der erste Patient war ein junger Sauerstoffmagier, der bei der Berufsfeuerwehr tätig war. Bei einem Einsatz hatte er mit seiner Gabe alleine ein Feuer in einem Gebäude beendet. Dabei hatte er sich überanstrengt und war kollabiert. Vor einer Woche hatte er das Krankenhaus wieder verlassen und sollte nun zu einer Nachsorgeuntersuchung vorbeikommen. Glücklicherweise konnte Corin jedoch feststellen, dass mit seiner Magie wieder alles in Ordnung war. Dies gönnte er dem Mann von Herzen, denn sein Einsatz hatte drei Kameraden und zwei kleinen Kindern, die den brennenden Kindergarten nicht mehr verlassen konnten, das Leben gerettet. Unerwartet war diese Entwicklung jedoch nicht. Elementarmagische Überanstrengung verursachte meist keine Folgeschäden, wenn der Betroffene den initialen Schock überlebte. „Für einen weit ausgebildeten Adepten ist es möglich, so etwas zu leisten“, sagte Corin. „Es gibt sogar eine Untergruppe für Sauerstoffmagier im Brand- und Katastrophenschutz im Alchimistenzirkel, die regelmäßige Seminare dazu abhalten.“ Während seines Studiums hatte Corin dort auch regelmäßig teilgenommen, später hatte er sich dann jedoch auf das Erlernen der medizinischen Anwendungen seiner Gabe konzentriert. „Wenn Sie weiterhin Ihre Gabe bei den Einsätzen nutzen wollen, würde ich Ihnen dringend empfehlen, sich dort zu melden und zu trainieren. Elementarmagie ist wie alles andere. Wenn man maßvoll trainiert sind Höchstleistungen möglich, aber nicht auf Anhieb.“ Corin gab dem jungen Mann die Kontaktdaten dieser Organisation und wünschte ihm alles Gute. Wenn nicht unerwarteterweise doch noch Beschwerden auftraten, musste er nicht mehr wiederkommen. Der nächste Patient in seiner Sprechstunde war ein wesentlich schwierigerer Fall. Der junge Mann war mit einer alkoholkranken Mutter aufgewachsen, die vor einem Besuch des Jugendamts versucht hatte, die Kakerlaken in der Wohnung mit dem phosphororganischen Insektizid „InsektEx A“ zu beseitigen. Die Aktion hatte für alle Familienmitglieder im Krankenhaus geendet, allerdings war es den Ärzten nicht gelungen, seinem jüngeren Bruder zu helfen, die Mutter wurde durch die Folgen der Vergiftung in Kombination mit dem Alkohol zum Pflegefall. Der Patient selbst trug keine Vergiftungssymptome davon, da er phosphormagische Fähigkeiten entwickelt hatte, allerdings verbunden mit einer schweren Anpassungsstörung. Ohne starke, elementarmagiedämpfende Medikamente entwickelte er lebensbedrohliche Komplikationen und musste fünfzehn Jahre später immer noch eine Kombination aus diesem Medikamenten, Psychopharmaka und Medikamenten, die deren Nebenwirkungen lindern sollten, nehmen. An guten Tagen konnte er in einer Behindertenwerkstatt arbeiten. Corin konnte nicht viel für diesen Patienten tun, außer den Verlauf der Erkrankung und die richtige Einstellung der Medikamente bestimmen, doch an diesem Tag hatte er denn noch Nachrichten, die vielleicht ein wenig Hoffnung brachten. „Der Antrag ist endlich durchgegangen“, erzählte er seinem Patienten. „Sie können in dieser ruarischen Spezialklinik behandelt werden.“ Nach fast drei Jahren Papierkram war es Corin endlich gelungen, die Krankenversicherung davon zu überzeugen, die Kosten für diese Behandlung zu übernehmen. Die ruarische Klinik wurde von einer Phosphormagierin geleitet, die eine Koryphäe auf ihrem Gebiet war. Patienten aus ganz Silaris wurden dort behandelt und sie hatte auch schon einigen scheinbar hoffnungslosen Fällen helfen können. „Glauben Sie wirklich, dass das etwas hilft?“, fragte der junge Mann zweifelnd. „Diese ganze Reise, die Kosten. Nur, damit sie mir dann vielleicht auch wieder sagen, dass sie nichts tun können.“ „Die Ärzte dort konnten schon einigen Patienten helfen, die in ähnlichen Situationen waren wie Sie“, sagte Corin. „Versuchen Sie es wenigstens, Sie haben nichts zu verlieren. Die Krankenversicherung wird für die Kosten aufkommen, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.“ Er sprach mit dem Patienten die nötigen Formulare durch und erklärte ihm Schritt für Schritt, was er tun musste. Als dieser Patient gegangen war, brauchte Corin erst eine Pause. InsektEx-A durfte inzwischen nicht mehr an Privatleute verkauft werden, für gewerbliche Anwender war es aber immer noch erlaubt, weil die Landwirtschaft angeblich nicht ohne das Mittel auskam. In fast allen anderen Ländern von Silaris gelang dies aber problemlos, sodass Corin eher die gute Lobbyarbeit von Ultiria hinter dieser Entscheidung vermutete. Nach den jüngsten Erkenntnissen hatte er auch noch einen anderen Verdacht. Vielleicht wurde die Produktion dieses Gifts ja nur beibehalten, damit es leicht möglich war, auf Wunsch des Verteidigungsministeriums hin, auf chemische Kampfstoffe umzuschwenken. Corin engagierte sich gemeinsam mit der Mehrheit der anderen elementarmagischen Ärzte und vieler weiterer Bürger schon lange für ein Verbot, doch bis jetzt war das Gift noch im Umlauf und auf der Station lag eine weitere junge Patientin, die sich das Zeug in der elterlichen Gärtnerei über den Arm geschüttet hatte. Bei ihr sollte nachher zum ersten Mal die Gabe der dämpfenden Medikamente eingestellt werden, damit Corin sich den Zustand ihrer Magie anschauen konnte. Zunächst hatte er jedoch noch zwei Routinefälle. Eine junge Natriummagierin, die wegen ihrer Übergangskrankheit auf der Station gewesen war, kam zur Kontrolle vorbei. Wie dies bei überstandenen Übergangskrankheiten der Normalfall war, sah ihre Magie zwar noch chaotisch und ungezähmt aus, aber nicht mehr krankhaft. Ihrer Ausbildung im Alchimistenzirkel stand nichts mehr im Wege. Die nächste Patientin war ebenfalls ein junges Mädchen. Sie war nicht krank, sondern Corin sollte das Vorliegen von Elementarmagie überprüfen. Anina war sechzehn Jahre alt und kam mit ihren Eltern. Sie trug eine schwarze Hose und ein ebenfalls dunkles T-Shirt mit irgendeinem Fantasymotiv, während der Vater in Anzug und Krawatte gekommen war, die Mutter mit Bluse und Rock. Der Konflikt zwischen den Eltern und ihrer pubertierenden Tochter, den Corin schon anhand der Kleidung erahnt hatte, zeigte sich sehr schnell, als Corin fragte, wie die Eltern auf die Idee kamen, dass ihre Tochter Elementarmagierin sein könnte. „Anina war ja schon immer so jähzornig“, erzählte die Mutter. „Ständig streitet sie mit ihrer jüngeren Schwester. Melinda ist gar nicht so, ein richtiger Sonnenschein.“ Aninas Gesichtsausdruch bei diesem Kommentar sagte alles. Als er Blickkontakt mit dem Mädchen hielt, bemerkte er bereits, dass er tatsächlich eine noch sehr unausgebildete, aber gesunde Sauerstoffmagierin vor sich hatte. „Anina ist immer so aggressiv zu ihrer Schwester.“ „Ja, ja ich bin immer die Böse, dabei provoziert die mich dauernd“, warf Anina ein. „In letzter Zeit ist es aber richtig schlimm geworden“, fuhr die Mutter fort, ohne den Einwand ihrer älteren Tochter zu beachten. „Dinge fangen an zu brennen, oder verrosten, wenn sie einen ihrer Wutanfälle hat. Neulich sogar bei Melindas Geburtstagskuchen. Sie war mal wieder eifersüchtig und hat irgendwas mit den Kerzen gemacht und dann stand der ganze Kuchen in Flammen.“ „Das war ich nicht. Ich hab den blöden Kuchen nicht mal angefasst“, sagte Anina. „Und dass der Löffel im Essen verrostet ist und ich alles wegwerfen musste, weil es dir nicht schmeckt, war auch Zufall, oder was?“ „Ja, war es!“ „Ich glaube, es wäre am besten, wenn ich mich mal mit Anina alleine unterhalten würde“, sagte Corin. Er hatte keine Lust, sich diese Familienstreitigkeiten noch länger anzuhören. Zu seiner Erleichterung stimmten die Eltern zu und Corin wandte sich an das Mädchen. „So Anina, jetzt können wir ganz in Ruhe miteinander sprechen. Hast du denn schon jemals etwas über Elementarmagie gehört?“ „Ja, ein bisschen. Aber da kriegt man doch eine Übergangskrankheit und alles. Und es passiert nicht einfach so was, oder?“ „Eine Übergangskrankheit bekommt man unserem. Auch wenn dir das noch nicht klar ist, du bist ganz eindeutig eine Sauerstoffmagierin. Und ja, du hast diese Dinge bewirkt, wenn du dich über deine Familie geärgert hast. Wahrscheinlich nicht absichtlich, aber wenn die Gabe noch so frisch und unausgebildet ist, geht das schnell. Sauerstoff ist da besonders gefährlich. Einerseits natürlich wegen seiner Eigenschaften und andererseits, weil wir immer genug davon um uns herum haben. Andere müssten erstmal einen Salzkristall spalten, oder einen Elementar rufen, beides geht ohne Übung nicht so einfach. Bei uns ist das anders.“ „Sie meinen also, ich war das wirklich? Mit dem Feuer auf dem Kuchen und dem Papierkorb und dem Rost und alles? Ich bin eine Sauerstoffmagierin? Und jetzt muss ich zum Alchimistenzirkel?“ „Ja, auf alle diese Fragen. Ich werde dich beim Alchimistenzirkel anmelden und dann können sie einen Adepten für dich aussuchen. Bis dahin musst du aber unbedingt aufpassen, dass du dich im Griff hast. Ich habe auch eine kleine Schwester und ja, die können manchmal nerven. Anzünden darf man sie aber trotzdem nicht.“ Anina lachte. „Ich bin mir sicher, dass du deiner Schwester und deinen Eltern nicht wirklich etwas antun willst, oder?“ „Ja klar, also nein. Wir haben nur dauernd Streit. Meinen Eltern passt einfach nichts, was ich mache. Sie mögen meine Musik nicht und verstehen nicht, dass ich keine Lust auf Partys und Shopping habe und die Leute an meiner Schule langweilig finde. Die sind alle so hohl und oberflächlich und interessieren sich für nichts, was wichtig ist wie Umwelt, Menschenrechte und so. Stattdessen bin ich eben viel im Internet und in Keriaja-Fanforen. Da gehe ich auch zu Treffen und schreibe Fanfictions und so. Aber das passt meinen Eltern auch nicht. Sie finden, dass ich nur in Fantasiewelten leben und dass das zu blutrünstig ist und meinen, ich sollte was Eigenes machen, wenn ich schon schreiben will. Meine FFs sind aber nicht einfach nur blutrünstig. Ich beschäftige mich da eben damit, was Erlebnisse wie Folter und Vergewaltigung mit Menschen machen.“ Corin ließ sie reden, auch wenn das alles nicht viel mit seinem Job als Arzt zu tun hatte. „Es ist völlig normal in deinem Alter, dass die Eltern nicht immer begeistert über das sind, wofür ihr euch interessiert“, sagte Corin. „Es ist völlig in Ordnung, Fantasyromane zu lesen und Fanfiction dazu zu schreiben, aber vielleicht solltest du doch schauen, dass du dich nicht nur damit beschäftigst, sondern auch noch etwas anderes machst. Du sagst, dass du dich für Menschenrechte und Umweltschutz interessierst. Schau doch mal, ob es da nicht irgendwelche Gruppen in deiner Nähe gibt, wo du dich engagieren könntest.“ „Vielleicht“, sagte Anina. Corin war aber guter Dinge, dass sie irgendwann etwas Sinnvolles aus ihrem Leben machen würde. Das war bei Sauerstoffmagiern eigentlich fast immer so und Ansätze dazu gab es ja schon, auch wenn ihr Temperament aktuell noch etwas fehlgeleitet war. „Du musst aber unbedingt darauf achten, dass du dich besser unter Kontrolle hast. Lass dich doch von deiner Schwester nicht so provozieren. Du bist Sauerstoffmagierin, du gehst zum Alchimistenzirkel und lernst viele Menschen in hohen Positionen kennen, sodass du sicherlich später auch eine gute Arbeitsstelle finden wirst. Da hast du es gar nicht nötig, dich wegen so ein bisschen Teeniegequatsche aufzuregen.“ „Irgendwie ist das ja schon cool, Sauerstoffmagie zu haben“, sagte Anina. „Ja, ist es. Pass in Zukunft auf, dass nichts passiert und wenn das nicht klappt, musst du Tabletten zur Dämpfung nehmen, bis du genug gelernt hast, die werde ich euch auch aufschreiben. Anina versprach sich Mühe zu geben und Corin sprach noch einmal kurz mit den Eltern, denen er nahelegte darauf zu achten, keine ihrer Töchter vorzuziehen und etwas mehr Verständnis für Aninas Interessen zu haben. Als die drei wieder weg waren, stellte er fest, dass er viel zu lange gebraucht hatte und keine Zeit mehr für seine Pause hatte, dabei brauchten die eigentlich eher eine Familientherapie als elementarmagische Medizin.
Er trank etwas Wasser und machte sich dann gleich auf zur Visite bei seinen vier stationären Patienten. Neu-Elementarmagier wurden immer in Einzelzimmern untergebracht, unabhängig von ihrem Versicherungsstatus, denn alles andere war zu gefährlich, solange sie ihre Fähigkeiten noch nicht unter Kontrolle hatte. Aktuell hatte Corin zwei Natriummagier, eine Chlormagierin und eine Phosphormagierin. Die meisten seiner Patienten waren Halogen- und Alkalimetallmagier, da diese Elemente fast immer mit schweren Übergangskrankheiten einhergingen. Alkalimetallmagier sah Corin dabei noch deutlich häufiger. Natrium und Kalium waren beide sehr häufige Elemente, während das bei den Halogenen nur auf Chlor zutraf. Fluormagier waren viel seltener und Brom- und Iodmagier gab es im Binnenland so gut wie nie. Außerdem hatte Corin den subjektiven Eindruck, dass Alkalimetallmagier eher mit ihren Problemen ins Krankenhaus gingen als Halogenmagier. Die erste Natriummagierin war eine junge Polizistin. Sie war inzwischen fieberfrei und konnte salzhaltige Kost nicht nur bei sich behalten, sondern hatte sogar einen regelrechten Heißhunger darauf entwickelt. Das bedeutete, dass die Übergangskrankheit weitgehend überstanden war und sie bald nach Hause konnte. Die junge Frau reagierte jedoch nicht übermäßig erfreut, als sie erfuhr, dass der Alchimistenzirkel mit ihr Kontakt aufnehmen würde. „Ich habe überhaupt keine Zeit für diesen Unsinn, unser Revier ist chronisch unterbesetzt und was bringt es mir da als Alchimistenzirkelfußabtreter meine Zeit zu verschwenden. Und diese Alkalimetallaktivisten sind ja auch nicht wirklich besser. Ich kann damit einfach nichts anfangen. Warum muss ich ausgerechnet Natrium als Element haben?“ Patienten, die mit ihren Elementen unzufrieden waren, waren für Corin Alltag. „Natriummagie kann in Ihrem Beruf sehr nützlich sein“, sagte Corin. „Schließlich können Sie damit herausfinden, ob Sie jemand anlügt. In manchen Ländern werden Natriummagier ganz gezielt für die Polizeiarbeit gesucht.“ Die Patientin sah immer noch nicht sonderlich überzeugt aus, aber Corin verabschiedete sich zügig. Gesundheitlich war hier alles in Ordnung, noch ein Tag zur Beobachtung und dann konnte sie nach Hause gehen. Der zweite Natriummagier war deutlich jünger und Corin musste über seine Entlassung entscheiden. „Warum muss ich ausgerechnet Natrium als Element haben? Das ist doch ein Element für Mädchen. Jetzt denken doch alle, dass ich ein Weichei bin.“ Corin sprach es nicht aus, aber ihm ging das ewige Gejammer der Natriummagier wegen ihres Elements gehörig auf die Nerven. Er verstand diese Leute nicht. Selbst wenn sie mit ihrem Element nicht so viel machen konnten, was bei Natrium gar nicht stimmte, hatten sie dadurch ja keinen Schaden, sondern immerhin ein bisschen dazugewonnen. Gesundheitlich war jedoch auch bei diesem Natriummagier alles in Ordnung und Corin konnte ihn entlassen. Vielleicht würden die beiden ihr Element im Laufe ihrer Ausbildung noch zu schätzen lernen. Die junge Chlormagierin hustete immer noch, allerdings waren Fieber und Übelkeit deutlich besser. Ihr durfte Corin jetzt die Nachricht überbringen, dass sie nicht an einer Lungenentzündung litt, sondern an einer elementarmagischen Übergangskrankheit. „Chlormagierin? Aber ich bin doch nicht lesbisch, oder sowas. Warum habe ich sowas?“ Corin hielt sich davon ab, den Papierkorb in der Ecke zu intensiv anzuschauen, denn dann konnte er trotz Adeptenausbildung für nichts mehr garantieren. Diese schwachsinnigen Klischees regten ihn dermaßen auf, vor allem, wenn er genügend Patienten mit echten Problemen hatte. „Das Element hat nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun. Dass hier in Arunien mehr Frauen Alkalimetallmagier werden und mehr Männer Halogenmagier hängt mit den traditionellen Geschlechterklischees zusammen. Da wir die aber glücklicherweise langsam hinter uns lassen, ändert sich das. In Ländern wie Sarilien, Tessmar, Avechain oder Dageyra, wo es diese Vorstellungen nicht gibt, treten diese Gaben völlig geschlechtsunabhängig auf.“ So ganz überzeugt sah die Fünfzehnjährige nicht aus. Offenbar hatte sie Angst, in der Schule wegen ihres Elements in eine Schublade gesteckt zu werden, genau wie der Junge mit Natrium. Aktuell gab es bei dieser Patientin nichts zu tun. Corin wünschte ihr gute Besserung und suchte dann seine letzte und vermutlich schwierigste Patientin auf, die siebzehnjährige Phosphormagierin, die sich InsektExA auf den Arm geschüttet hatte und jetzt aus ihrem künstlichen Dämmerschlaf erwachsen sollte. Corin beobachtete genau, wie der Spiegel des Medikaments im Blut des Mädchens sank und die Magie immer deutlicher erkennbar wurde. Zu seiner Erleichterung sah es deutlich besser aus, als er befürchtet hatte. Noch sehr ungeformt, aber es gab auch eine deutliche Verbindung zwischen Magierin und Element, sogar schon stärker als bei Elanja. „Weißt du, wo du bist?“, fragte Corin das Mädchen. Sie schaute sich um. „Im Krankenhaus“, murmelte sie. „Wegen der Vergiftung, oder? Konnten Sie etwas tun? Ich versteh das gar nicht. Erst ging es mir ja gut und dann habe ich abends doch noch Fieber bekommen und mein Vater ist mit mir zum Arzt. Dabei bekommt man von dem Mittel normal gar kein Fieber, das habe ich gelesen.“ „Es war sehr leichtsinnig, nicht sofort den Notarzt zu rufen“, sagte Corin. Musste man das bei einem Pestizid mit der Kennzeichnung „Lebensgefahr bei Hautkontakt“ wirklich noch dazusagen? „Ich kann dir aber sagen, warum das so abgelaufen ist. Du hattest keine Vergiftungssymptome, weil du Phosphormagie entwickelt hast. Sie hat dich geschützt und das Fieber kam durch die Übergangskrankheit.“ Die Augen des Mädchens leuchteten auf. „Phosphormagie? Wirklich? Ich wollte schon immer Elementarmagierin sein und Phosphor ist mein Lieblingselement.“ „Es freut mich, das zu hören“, sagte Corin und meinte es von ganzem Herzen, nicht nur wegen des Gejammers seiner übrigen Patienten, sondern auch, weil er befürchtet hatte, vielleicht einen weiteren Fall wie den jungen Mann von vorhin zu haben. Von einer Anpassungsstörung war bei ihr jedoch weder emotional noch in der Struktur der Magie irgendetwas zu erkennen. Die junge Phosphormagierin versuchte offensichtlich direkt, ihre neuen Fähigkeiten auszuprobieren und suchte den Kontakt zu Corins Gabe. Er schob sie aber vorsichtig zurück. Die Anziehungskraft zwischen den beiden Elementen war für eine völlig ungeübte Magierin noch zu gefährlich. „Ich darf zum Alchimistenzirkel“, sagte sie fröhlich. „Endlich.“ Corin kam ein Verdacht. „Du hast aber nicht absichtlich mit dem Gift herumgespielt, oder?“ „Nein, also wenn ich ehrlich sein soll, ich habe schon gesagt, dass ich das Spritzmittel mischen will, weil ich gehofft habe, aber ich habe es mir nicht absichtlich über den Arm geschüttet.“ „Gut, so etwas ist nämlich verdammt gefährlich“, sagte Corin. „Ich werde dann den Alchimistenzirkel informieren, aber zunächst solltest du noch ein paar Tage zur Beobachtung hierbleiben. Als erstes werde ich aber deine Eltern informieren, denn die machen sich große Sorgen.“ Die Mutter der Patientin war wütend auf ihren Ehemann, weil der zugelassen hatte, dass seine Tochter mit dem giftigen Insektizid hantierte und nach dem Unfall nicht einmal zum Arzt ging. Corin konnte diese Wut verstehen, aber er hoffte, dass sich die beiden wieder einigten, nachdem jetzt klar war, dass ihre Tochter alles gut überstanden hatte. Er rief direkt bei den Eltern an, die sehr erleichtert waren und verkündeten, wie stolz sie waren, eine Tochter im Alchimistenzirkel zu haben. Diese Art von Anrufen bei Angehörigen war Corin die liebste und so ging er mit einem positiven Abschluss des Arbeitstags nach Hause. Elanja war ebenfalls heil von der Arbeit zurückgekommen und so konnte er den Tag in Ruhe beschließen.
@Chrontheon, dazu habe ich schonmal einen wenig beachteten Beitrag verfasst. Elementare
Corin Avellanus-Vormittag
Das Krankenhaus von Daris Kaja war von einem kleinen Park umgeben, in dem die Patienten, die dafür mobil genug waren, frische Luft schnappen konnten. Einige de Patienten nutzten den Park jedoch zu einem anderen Zweck, zum Rauchen. Corin erkannte zwei seiner Patienten, die wegen der Raucherei unter chronischer Bronchitis litten. Er schüttelte den Kopf. Manche Leute lernten es einfach nie. Früher hatte er seinen Patienten immer wieder zugeredet, dass sie auf dieses Laster verzichten sollten, aber inzwischen hatte er das aufgegeben. Er informierte sie zu Beginn der Behandlung darüber, dass es sinnvoll wäre, mit dem Rauchen aufzuhören, dann wussten sie Bescheid. Alles andere lag bei ihnen, sie waren schließlich erwachsen. Glücklicherweise fruchteten die Präventionsmaßnahmen langsam und die Popularität des Rauchens bei den jüngeren Aruniern ging deutlich zurück. In früheren Zeiten war der Tabakkonsum, gerne auch in Form von Pfeifen oder Zigarren im Alchimistenzirkel sehr weit verbreitet gewesen. Das Nikotin wirkte stimulierend auf die elementarmagischen Fähigkeiten, ohne dabei in den beim Rauchen aufgenommenen Dosen gefährliche Nebenwirkungen zu haben, jedenfalls nicht in Bezug auf die Magie. Diese Information wurde inzwischen jedoch außerhalb von wissenschaftlichen Veröffentlichungen nicht mehr diskutiert, um zu vermeiden, dass junge Menschen zum Rauchen verführt wurden, weil sie gerne Elementarmagier sein wollten. Stattdessen kam es heutzutage immer wieder vor, dass sie absichtlich phosphorhaltige Insektizide soffen, um diesen Effekt zu erzielen. Die gefährlichsten durften zwar nicht mehr an Privatleute verkauft werden, aber vielerorts fanden sich noch Altbestände, oder es wurde eben mehr von den weniger wirksamen eingenommen. Diese Praxis brachte deutlich mehr junge Menschen auf den Friedhof als in den Alchimistenzirkel. Es gelang nur in den seltensten Fällen, wirklich das Auftreten von Elementarmagie zu erzwingen. Unstrittig war, dass diese Gifte so etwas bewirken konnten, warum die freiwilligen Versuche scheiterten, war nicht ganz klar. Die wahrscheinlichste Ursache war die, dass die Betroffenen als Phosphormagie eher ungeeignet waren. Einer der Patienten, den Corin nicht mehr retten konnte, wäre Fluormagier geworden, wenn er etwas mehr Geduld gehabt hätte. Die Entwicklung dieser Magie war jedoch auf natürlichem Weg schon gefährlich genug, künstlich beschleunigt war da nicht mehr viel zu machen.
Corins Vormittag war jedoch den Lungenkranken gewidmet. Zunächst besuchte er mehrere stationär aufgenommene Patienten und überprüfte ihren Gesundheitszustand. Drei von ihnen litten unter chronischer Bronchitis, die beiden anderen hatten sich bei der Arbeit eine Staublunge zugezogen. Corin hatte das Siliciumdioxid mithilfe seiner Gabe aus ihren Lungen entfernt und überprüfte nun, ob ihre Beschwerden zurückgingen. Dies war tatsächlich der Fall. Trotzdem konnte er den Leuten nur raten, lieber gleich auf einen angemessenen Arbeitsschutz zu achten, damit es gar nicht erst soweit kam. Als nächstes stand die ambulante Sprechstunde auf dem Programm. Patienten, deren gesundheitliche Versorgung durch die allgemeine Krankenversicherung finanziert wurde, mussten sich durch einen sauerstoffmagischen Arzt untersuchen lassen, wenn sie unter Lungenproblemen litten. Röntgen und MRT gab es zwar auch, diese Technologie wurde für die Routinediagnostik aber nicht verwendet, da die Geräte wesentlich teurer waren als Corins Arbeitszeit. Theoretisch sprach viel für diese Praxis und nichts dagegen, praktisch gab es jedoch viele Patienten, die sehr skeptisch waren, wenn von ihnen verlangt wurde, den Sauerstofffluss durch ihren Körper mithilfe von Elementarmagie begutachten zu lassen. Solche Ängste traten auch bei manchen Aruniern auf, besonders ausgeprägt waren sie aber bei elavischen Patienten, denn dort wurde Elementarmagie allgemein als etwas Böses betrachtet. Die Krankenversicherung weigerte sich jedoch, den in Arunien lebenden Elaviern „wegen abergläubischen Blödsinns“ teure und potenziell schädliche Untersuchungen zu finanzieren. Das führt dazu, dass viele Elavier mit Atemwegsproblemen überhaupt nicht zum Arzt gingen, sondern sich lieber auf irgendwelche traditionellen Heilmittel verließen. In Daris Kaja gab es jedoch auch einige, die ihre Scheu überwanden und trotzdem in Corins Sprechstunde kamen. Da das Verhältnis zwischen Menschen mit elavischem und tessmarischem Migrationshintergrund häufig sehr angespannt war, ließ Corin die Termine gezielt so legen, dass eine Gruppe zu Beginn der Sprechzeit an der Reihe war, die zweite zum Ende. An diesem Tag ging es mit den Elaviern los. Ein kleiner Junge, der in Begleitung seines Vaters hier war, litt unter Asthma. Corin konnte jedoch feststellen, dass sein Zustand stabil war. Er stellte ihm ein weiteres Rezept für seine Medikamente aus und wandte sich dem nächsten Patienten zu. Das Mädchen litt unter starkem Husten und hohem Fieber. Corin stellte eine Lungenentzündung fest und wies an, dass sie zunächst im Krankenhaus bleiben sollte, um Antibiotika zu bekommen. Die dritte Patientin war ebenfalls eine alte Bekannte. Die Arisaja-Elavierin war während des Krieges einem sarilischen Fluormagier in die Hände gefallen. Dieser Begegnung verdankte sie mehrere Brandnarben, Verätzungen in den Bronchien und eine jetzt zweiundzwanzigjährige Tochter, die eine Ausbildung bei der Bank machte. Sie hatte sich gezielt einen so unsarilischen Beruf wie möglich ausgesucht, wie ihre Mutter sagte. Am Anfang war sie Corin ebenfalls mit großem Misstrauen begegnet, doch das hatte sich im Lauf der Jahre längst gegeben. Eins hatte ihre Geschichte Corin aber auch klargemacht. Die Berichte über die Gräueltaten der Sariler im Arisaja-Krieg waren nicht nur Propaganda zur Rechtfertigung eines Krieges gewesen, sondern diese Dinge waren tatsächlich geschehen. Corin war es normalerweise sehr wichtig, beim Einsatz seiner Gabe immer nach strengen ethischen Standards zu handeln, doch wenn ihm dieser Mann in die Hände fallen würde, könnte er für nichts garantieren. Als nächstes waren die arunischen Patienten an der Reihe, auch von ihnen kannte Corin einige bereits, weil sie regelmäßig zur Kontrolle zu ihm kamen. Zum Schluss folgten noch eine tessmarische Leichtathletin, die sich ein Asthma-Medikament verschreiben lassen wollte. Corin stellte jedoch keine Indikation für einen solchen Wirkstoff fest und schickte die Frau ohne Rezept nach Hause. Große Illusionen machte er sich da aber nicht. Auf dem Schwarzmarkt würde sie bestimmt irgendetwas finden, was ihren Wünschen entsprach.
Zitat von Chrontheon im Beitrag #57Ist es üblich, dass Novizen bei ihren Meistern wohnen? Wenn ja, warum?
Das kommt gelegentlich vor, ist aber nicht unbedingt üblich. Elanja hat eigentlich auch eine eigene Wohnung, Corin möchte zu diesem Zeitpunkt aber, dass sie aus Sicherheitsgründen bei ihm wohnt, weil sein Haus mehr Sicherheitsmaßnahmen einschließlich wachende Elementare hat. Manche Adepten mit noch schulpflichtigen Novizen, machen das auch, um sie auf eine ihrer Meinung nach bessere Schule schicken zu können. Es gilt nicht generell als anstößig, bei Corin und Elanja gibt es da aber schon ein paar Gerüchte, auch wegen ihrer Elemente. Da sie schon 27 ist, kann da aber rechtlich niemand was sagen. (Das Einstiegsalter von Elementarmagiern in Arunien schwankt sehr stark. Am häufigsten ist ein Alter zwischen 15 und 25, fünf Jahre mehr oder weniger sind aber auch nicht ungewöhnlich und es kommt auch vor, dass ältere Erwachsene oder jüngere Kinder Elementarmagier werden. Je nach deren beruflichem und gesellschaftlichem Standing kann es aber sein, dass ältere Erwachsene nicht mehr in der Novizengruppe ausgebildet werden, während Kinder nur die Basics lernen und auf die offizielle Aufnahme im Alchimistenzirkel warten müssen. Die ist nicht vor zwölf Jahren möglich.
@Chrontheon, das hört sich jetzt aber nicht nach der Welt mit der Geheimpolizei an, oder?
Da wir ja alle gerade den Themenschwerpunkt Medizin haben, gibt es bei mir den Tag eines elementarmagischen Arztes. Es geht jetzt mit dem Morgen los.
Corin Avellanus-Morgenroutine
Das Klingeln des Weckers riss Corin aus dem Schlaf. Er drehte sich auf den Rücken, bis zum zweiten Klingeln konnte er noch liegenbleiben. Das morgendliche Aufstehen fiel ihm mittelprächtig leicht, auch wenn er wusste, was für ein Luxus ein geregelter Tagesablauf war. Seit er seine Ausbildung zum Facharzt für Lungenheilkunde und elementarmagische Medizin abgeschlossen hatte, blieb ihm zumindest die Nachtschicht erspart. Falls nachts irgendwelche Patienten mit schwerer Übergangskrankheit eingeliefert wurden, kümmerten sich darum zunächst die Kollegen und verabreichten ihnen die hierfür vorgesehene Standardmedikation, die bereits fertig zubereitet im Arzneischrank lagerte. Dann hatten die Neu-Elementarmagier im Normalfall Zeit bis zum nächsten Morgen. Falls dies nicht der Fall war, riefen sie Corin an und er schaffte es mit dem Auto von seinem Haus aus in fünf Minuten zur Klinik.
Jetzt hieß es aber aufstehen. Corin schlüpfte in seine Kleidung für zuhause und öffnete das Fenster. Unterhalb seines Hauses breitete sich die Stadt Daris Kaja in Richtung Orellan aus. Unten am Fluss sah Corin das Aropa-Dreieck, die Leuchtreklame des gleichnamigen Chemiekonzerns, welche die anderen Lichter der Stadt in den Schatten stellte. Valerius Aropus, der Gründer dieses Unternehmens hatte vor mehr als hundert Jahren das Krankenhaus, in dem Corin arbeitete, für seine Mitarbeiter gegründet. Inzwischen befand es sich jedoch längst in staatlicher Hand. Daris Kaja war nicht gerade für seine bauliche Pracht bekannt, doch über das ruhige Wohngebiet in Höhenlage, wo Corin wohnte, gab es nichts zu meckern. In seinem weitläufigen Garten sangen die Vögel und Corin ließ auch seinen elementarmagischen Blick nach draußen schweifen. Es hatte etwas Beruhigendes und gleichzeitig Fokussierendes, dem Weg des Sauerstoffs in der Luft, im Wasser, im Boden und in den Lebewesen zu folgen. Dabei spürte er die Verbindung seines Elements zu ihm und die eigene zurück zu seinem Element, beide ungefähr gleich stark, wie es bei einem fertig ausgebildeten Elementarmagier sein sollte. Seine Elementare waren ebenfalls im Garten unterwegs und begrüßten ihn kurz im Vorbeifliegen. Corin selbst hatte nie unter einer Übergangskrankheit gelitten. Seit er sich erinnern konnte, war sein Element eine wohlwollende Präsenz in seinem Leben gewesen, zumindest fühlte es sich für ihn so an. Es hatte ihm als Kind dabei geholfen, seiner Schwester bei ihren Asthmaanfällen zur Seite zu stehen und ermöglichte ihm jetzt, anderen zu helfen.
Damit er das tun konnte, durfte er jedoch nicht mehr allzu viel Zeit am Fenster verbringen. Er ging ins Esszimmer, wo seine Novizin, Phosphormagierin Elanja bereits das Frühstück vorbereitet hatte. Am Anfang war es Corin unangenehm gewesen sich von ihr bedienen zu lassen, schließlich war er ihr Ausbilder und nicht ihr Arbeitgeber. Er hatte jedoch schnell gemerkt, wie wichtig es ihr war, das Gefühl zu haben, dass sie sich nützlich machen konnte. Inzwischen wusste Elanja auch, wie man eine Kaffeemaschine bediente, obwohl sie weiterhin den traditionellen sarilischen Kräutertee trank, den sie im multikulturellen Daris Kaja irgendwo aufgetrieben hatte. Aus finanzieller Sicht war das sicherlich sinnvoll. Die Dageyraner ließen sich den Kaffee reich bezahlen und verwehrten ausländischen Unternehmen den Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen in ihrem Land. Alle Versuche, Kaffee in Elavien anzubauen, waren jedoch fehlgeschlagen, sodass alle Kaffeefreunde den Preis zahlen mussten, denn die Dageyraner verlangten. Corin war froh darüber, dass er deswegen nicht mehr auf das anregende Getränk verzichten musste. Bei aßen ein Müsli, Elanja allerdings die Variante mit Nussmilch und eine Scheibe Brot mit Marmelade. Am Anfang hatte Corin extra die in Arunien ebenfalls sehr teuren Alijan-Bohnen besorgt, damit sie sich den bei den Sarilern angeblich beliebten Aufstrich aus gekochten Bohnen und Honig machen konnte. Elanja hatte ihm jedoch gesagt, dass sie lieber so essen wollte, wie es in Arunien üblich war. Die Bohnen hatte sie in ihrer Kindheit im Waisenhaus dauernd bekommen und konnte sie nicht mehr sehen. Dafür hatte Corin natürlich Verständnis, auch wenn ihn die beiläufige Art, wie sie das erwähnt hatte, etwas schockierte. Im Vergleich zum Versuch der sarilischen Elementarmagier ihr eine Ausbildung zu verpassen, war die Zeit im Waisenhaus aber offenbar noch das reinste Vergnügen gewesen. Obwohl Elanja, für Sariler untypischerweise, Makeup trug, sah man noch die Narbe auf ihrer Stirn, wo der Leiter ihres ehemaligen Zentrums ihr Elementsymbol mit Flusssäure entfernt hatte, als sie „wegen Unfähigkeit“ entlassen worden war. Notwendig war das nicht gewesen, das Symbol bestand aus wasserlöslicher Farbe. Auf Tiermilch musste sie jedoch verzichten, da sie diese wie die allermeisten Sariler nicht vertrug.
Gewohnheitsmäßig überprüfte Corin den Zustand ihrer Elementarmagie. Die Verbindung zwischen ihrem Element und ihr war stark, aber anders als am Anfang gab es inzwischen auch eine in die andere Richtung. Elanjas Kontakt zu ihrem Element war sehr vorsichtig und behutsam, aber die Verbindung war da und stabil. Darauf konnte man aufbauen, der Rest würde mit der Zeit kommen. Alles in allem war Corin nicht unzufrieden. Einige Mitglieder des Alchimistenzirkels waren völlig entsetzt darüber gewesen, dass er als Sauerstoffmagier eine Phosphormagierin unterrichten wollte, aber das Ergebnis war so schlecht nicht. Unter Corins Patienten waren öfter Phosphormagier aber so gut wie nie Sauerstoffmagier, sodass er mit deren gesundheitlichen Problemen wohlvertraut war. „Muss ich Fao wirklich wieder mit zur Arbeit nehmen? Er macht ständig Quatsch, ärgerte die Leute, macht die Frisuren kaputt und weht Röcke hoch und so.“ „Ja, ich weiß, dass es lästig ist, aber ich halte es wirklich für sinnvoll. Solange du selbst keinen Elementar herbeirufen kannst, brauchst du zusätzlichen Schutz.“ Während einer Alchimistenzirkelveranstaltung war ein Auftragskiller auf Elanja angesetzt worden, seitdem war Corin da besonders vorsichtig. Elanja seufzte. „Die Sache ist doch jetzt aus. Clavatus wird nicht Verteidigungsminister und Lebetinus ist seinen Vorstandsposten auch los. Jetzt bringt es doch gar nichts mehr, mich umzubringen, außer noch schlechtere Publicity.“ „Ich hoffe wirklich, dass du recht hast. Mir wäre es aber trotzdem recht, wenn Fao dich weiter begleiten würde.“ Er konnte zwar verstehen, dass es unangenehm war, mit einem Elementar unterwegs zu sein, den man nicht kontrollieren konnte, aber Sicherheit ging vor und Fao war immerhin einer, der nur harmlosen Schabernack machte und nicht herausfinden wollte, wie leicht Menschen brannten, oder Ähnliches. „Seh es als Anreiz selbst zu üben, einen Elementar zu rufen“, sagte er. Elanja schaute alles andere als begeistert drein. Ihr schienen diese Wesen ziemlich suspekt zu sein und Corin musste zugeben, dass es ihm bei Phosphorelementaren nicht viel anders ging. Wenn Elanja ihrem zum ersten Mal beim Alchimistenzirkel begegnete und nicht in seiner Wohnung, wäre ihm das nicht Unrecht. „Es fällt mir immer noch schwer, das mit Lebetinus zu glauben. Und mir war der tatsächlich sympathisch.“ „Das hat mich von Anfang an gewundert“, sagte Corin. „Ja, ich weiß. Ich habe mich wahrscheinlich blenden lassen. Ein wie ausgebildeter Fluormagier, der nett zu mir ist, das war so etwas Ungewöhnliches. Ich hätte mir denken können, dass es nicht echt ist.“ „Nicht alle Fluormagier sind skrupellose Folterer, Mörder und Vergewaltiger“, sagte Corin. „Aber im Verhältnis mehr als bei anderen Elementen, oder?“ „Der Eindruck kann tatsächlich entstehen“, sagte Corin. „Ich weiß aber nicht, ob sich das statistisch belegen lässt. Es ist beispielsweise erwiesen, dass die meisten Giftmörder Stickstoffmagier sind, auch auf ihre Anzahl zurückgerechnet. Arsenmagier treten dagegen fast nie in dieser Form in Erscheinung.“ Dies war in einem Artikel der Zeitschrift „Elementarmagie heute“ beschrieben worden, die Corin abonniert hatte. „Ich kenne auch nur nette Arsenmagier. Und es hat einen Vorteil, sie müssen sich nicht mit ihrem Element beschäftigen, wenn sie das nicht wollen.“ Ein Blick auf die Uhr verriet, dass keine Zeit mehr war, um dieses Thema noch vertieft zu diskutieren. Elanja musste sich nun auf den Weg zu ihrem Arbeitsplatz, einer sarilischen Bäckerei, machen, in Begleitung von Fao, der zumindest Corin versprach, nichts anzustellen und gut auf sie aufzupassen. Corin stellte noch das Geschirr in die Spülmaschine und fuhr dann zur Klinik.
Das geht ja so langsam schon über normalen Alltag hinaus. Oder läuft das bei den Tatortsehern immer so ab? Das Moos in der Wohnung ist wirklich gruslig.
@DrZalmat, hast du dann eigentlich auch ein Magiesystem, wo sich die Anwender mit dem Aufbau der Materie auskennen, oder überlegst du das nur für dich, während die Magier einfach Magie betreiben?
@Nharun,das ist nicht als Angriff gemeint, sondern nur eine organisatorische Frage: Ist der Alltagsgeschichten-Thread eigentlich als Sammlung für alle gedacht, oder ist das jetzt eher deiner, @Nharun? Ich würde nämlich auch gerne mal eine Alltagsgeschichte machen, wollte aber nicht bei dir was dazwischenschieben. Nachdem du jetzt aber immer wieder was Neues anfängst... Bitte nicht falsch verstehen. Ich finde das sehr interessant, sollte auch wirklich mal kommentieren und möchte auf keinen Fall implizieren, dass du weniger schreiben sollst. Es geht wirklich nur ums Organisatorische und den Threadaufbau.
1) Kennt ihr das? Wenn ja, in welcher Form, in welchem Umfang? Ja, schon. Ich denke aber, das ist auch irgendwo normal, denn es gibt ja so viele potenzielle Details an Welten, die man bearbeiten kann. Ganz fertig wird man da glaube ich nie und wenn, wäre es auch doof, weil man dann nichts mehr daran machen kann.
2) Empfindet ihr das als störend? Als Druck? Als Mangel? Ganz anders? Nein. Wenn ich so mitlese, wie es anderen damit so geht, frage ich mich aber öfter, ob ich das mit dem Weltenbasteln und Schreiben nicht ein bisschen zu locker sehe, aber für mich ist das eigentlich kein Stress. Wenn es das wirklich wäre, würde ich es vermutlich lassen, schließlich krieg ich kein Geld dafür.
3) Wie geht ihr damit um? Habt ihr Strategien, um Baustellen "fertig" zu bekommen? Habt ihr Ursachen gefunden? Wenn mir eine Baustelle wichtig ist, beschäftige ich mich intensiv damit und bekomme es dann auch zeitnahe "fertig". Wenn nicht, bleibt es erst mal im Hintergrund und wird nur angedeutet.
4) Wie ist das bei Autoren bekannter/öffentlicher Welten? Denkt ihr, die machen etwas anders? Ja, ich glaube, dass da oft (Leute wie Tolkin sind vielleicht die Ausnahme) gar nicht so viel Wert darauf gelegt wird, dass wirklich alles ausgearbeitet ist. Sonst würde man ja auch nicht in so vielen bekannten Welten auf diverse Logiklücken stoßen. Etwas mehr Mühe würde ich mir da teilweise sogar wünschen, aber wenn man ein Buch schreiben, einen Film drehen oder ein Computerspiel machen will, steht der Weltenbau eben meist nicht im Mittelpunkt.
Bis jetzt dachte ich ja immer, dass die moderne Toraja noch die angenehmste der hier im Forum vorgestellten Welten ist, aber jetzt stelle ich das doch wieder in Frage. Wenn ich in eine der Welten müsste, dann doch in meine, da kenne ich mich wenigstens aus.
Jedenfalls ein sehr interessanter Einblick in den Alltag eines arbarischen Krankenpflegers. Ich mag die magischen Äquivalente irdischer Technologie und bin auch ein großer Fan von moderner Technik mit Magie, wo man dann Dinge wie magische Smartwatches findet. Die Weigerung der Heiler, andere als die magischen Methoden in Betracht zu ziehen, wenn dies nicht bei allen Patienten möglich ist, finde ich nicht sonderlich sinnvoll. Ist das eigentlich überall so, oder eine arbarische Spezialität?
So ganz allgemein drängen sich mir da noch ein paar Fragen auf. Grundsätzlich ist Magie jetzt allgemein akzeptiert. Gibt es aber trotzdem noch Magiegegner, so wie bei uns Atomkraftgegner? Oder gibt es Leute, die einen "magiefreien Lifestyle" praktizieren wollen und Lebensmittel, die für diesen Kundenpreis als "Ohne Magie" etikettiert sind?
ich habe mir gedacht, ich mach zum neuen Jahr mal einen Thread für den einen oder anderen Einblick aus Silaris auf. Die erste Kurzgeschichte gibt es auch schon im anderen Forum, aber da das mein Text ist, denke ich, dass das nicht dagegensprechen sollte. In der Wahlkampfshow wurde schon die Ermordung von General Cressidus angesprochen, hier ist das aus der Sicht eines (mehr oder weniger) Freundes geschildert. Und man erfährt auch einiges darüber, wie es in Arunien so zugeht.
Fern vom Schlachtfeld
Septimius Lebetinus klopfte mit den Fingern auf das Lenkrad seines Usias. Vor ihm versuchte ein tessmarischer Gefahrguttransporter seit einer gefühlten Ewigkeit vergeblich einen anderen LKW zu überholen. Am liebsten hätte Septimius ihm durch das Betätigen der Hupe klargemacht, dass er Platz machen sollte, aber er hielt sich gerade noch davon ab. Der LKW hatte Flusssäure geladen und die übrigen Verkehrsteilnehmer waren nicht immun gegen Fluorid. Fast ein Leben lang versuchte er schon zu widerstehen, wenn sein Element ihm einflüsterte, tollkühne, rücksichtslose Dinge zu tun. So auch jetzt. Er probierte halbherzig sich der Verbindung mit dem Fluor im Tank zu widersetzen, doch es klappte nicht und eigentlich wollte er das auch gar nicht. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob es richtig sein konnte, es immer zu unterdrücken, wie es der Alchimistenzirkel lehrte. Endlich gab der Fahrer des Gefahrguttransporters auf. Septimius wechselte sofort auf die Überholspur, der Wagen beschleunigte nach einer federleichten Berührung des Gaspedals. Viele Arunier hielten bestimmte ruarische Automarken für den Inbegriff des Luxus doch für Septimius ging nichts über Usias. Warum im Ausland suchen?
Die Strecke vor ihm war nun frei und bei seiner Geschwindigkeit brauchte er nicht lange bis zur Ausfahrt Ergalla. In der Stadt war es mit dem Fahrspaß leider vorbei. Der Verkehr kroch von Ampel zu Ampel und der Usias kam auch nicht schneller voran als die anderen. Septimius beobachtete ein paar Radfahrer, die sich ganz offensichtlich genau darüber lustig machten. Auf ihren Jacken prangten Aufkleber, die zur Legalisierung bestimmter pflanzlicher Rauschmittel aufriefen. Höchstwahrscheinlich hatten die Leute aber gleichzeitig große Angst vor allem, was ihrer Meinung nach mit „Chemie“ zu tun hatte. Jeden Morgen stand ein Dummer auf. Die Überlegungen wie er diese Zeit sinnvoller hätte nutzen können, wurden immer stärker. Warum hatte er sich bloß darauf eingelassen einen Nachmittag damit zuzubringen, als Kuratoriumsmitglied der Universität einen Vortrag zu besuchen? General Cressidus sprach über berufliche Perspektiven für Chemiestudenten beim Militär. „Chemiestudenten mit Elementarmagie“ hatte er zwar nicht geschrieben, doch Septimius war sich sicher, dass er genau danach Ausschau hielt. Andernfalls gäbe es für solche Dinge Fachleute auf niedrigeren Hierarchieebenen. Gegenüber anderen hätte er Cressidus wohl als seinen Freund bezeichnet. Vor sich selbst brauchte er sich jedoch nichts vorzumachen. Mit Freundschaft hatte ihre Beziehung wenig zu tun. Der Mann hatte ihn hintergangen, anders konnte man es nicht nennen. Als junger Fluormagier, der jeden Tag Nachrichten über die unmenschliche Grausamkeit der sarilischen Soldaten im Arisaja-Krieg zu hören bekam, war er gerne dazu bereit gewesen, chemische Kampfstoffe herzustellen, um deren Treiben Einhalt zu gebieten. Dass Cressidus aber vorhatte, diese nicht im Kampf, sondern gegen eine Stadt voller Frauen und Kinder einzusetzen, hatte er nie erwähnt. Septimius ärgerte sich weniger über die Sache selbst als darüber, dass Cressidus ihn offenbar für einen Schwächling hielt, dem man die Wahrheit nicht zumuten konnte. Gut, er selbst hatte es bei der ebenso arroganten wie dummen und naiven Phosphormagiern Odetta genauso gemacht, aber bei ihr war das tatsächlich erforderlich gewesen. PhosphormagierInnen waren immer so emotional. In der sarilischen Kultur war es nicht üblich Schwäche vor dem Feind zu zeigen und Niederlagen einzugestehen, selbst dann nicht, wenn dies einen großen Propagandasieg mit sich gebracht hätte. Trotzdem fand Septimius es idiotisch, dass Cressidus alles getan hatte, um die Sache zu vertuschen, bis heute. Dank dieser Dummheit mussten sie seit zwanzig Jahren damit rechnen, dass es irgendwann doch ans Licht kommen würde, mit allen Folgen. Damals hätten die Leute es vielleicht verstanden, heute wo Sarilien mehr und mehr zum Touristenziel wurde, sicher nicht mehr. Nach dem Vortrag wollte Cressidus unbedingt mit ihm reden und Septimius wurde den Verdacht nicht los, dass es etwas mit der alten Geschichte zu tun hatte.
Endlich erreichte Septimius das bewachte Alchimistenzirkelparkhaus. Er hing zu sehr an seinem Wagen, um ihn in Ergalla einfach irgendwo im Freien abzustellen. Bestenfalls würde jemand ein paar Parolen darauf schmieren, schlimmstenfalls würden irgendwelche subversiven Spinner das Auto anzünden. Das bewachte Parkhaus gab es seit dem Arisaja-Krieg, der von heftigen Demonstrationen begleitet worden war. An diesem Nachmittag waren noch reichlich Parkplätze, denn das Alchimistenzirkeltreffen würde erst später stattfinden. Septimius suchte sich einen in der Nähe des Ausgangs und machte sich auf den Weg zum Campus. Sehr weit kam er dabei jedoch nicht, denn vor dem Zugang zum Universitätsgelände hingen wieder einmal Demonstranten mit Tröten und Transparenten herum. Dabei riefen sie Dinge wie: „Keine Militärforschung an unserer Uni!“ „Fort, fort mit dem Mörderpack!“ und dergleichen Geistreiches mehr. Der Vortrag von General Cressidus war absichtlich auf den frühen Nachmittag gelegt worden, vielleicht weil die Universitätsverwaltung hoffte, dass diese Leute zu der Uhrzeit noch im Bett lagen, aber offenbar legten sie eine erstaunliche Disziplin an den Tag, wenn es darum ging unliebsame Veranstaltungen zu stören. Septimius wusste, dass er bei diesen Leuten alles andere als beliebt war. Die Ultiria-AG war nicht nur der größte Chemiekonzern Aruniens sondern auch der am meisten gehasste. Das hing teilweise mit bedauerlichen Ereignissen wie dem Unglück von Enes Tall und gelegentlichen Verunreinigungen des arunischen Nationalflusses Orellan zusammen, teilweise mit den Kriegsproduktionen und zu einem nicht unerheblichen Teil damit, dass diese naiven Menschen in ihrer Ökogläubigkeit einfach nicht verstehen wollten, dass ihr Wohlstand nur durch Unternehmen wie Ultiria gesichert werden konnte. Wenn sich irgendjemand über die bösen Konzerne ausließ, wurde Ultiria immer als erstes genannt.
Somit war Septimius nicht überrascht darüber, dass er von einem Pfeifkonzert begrüßt wurde. Ganz vorne mit dabei war diese unsägliche Enes Tall-Aktivistin Quendula Clavaria, die sich einbildete, die Elavier würden irgendwelchen Wert auf Unterstützung durch gelangweilte arunische Studenten legen. Es gab Menschen, die es einfach nicht wert waren Zeit damit zu verschwenden, mit ihnen zu diskutieren und diese hier gehörten zweifellos dazu. Septimius tat so als ob er das Gepfeife und die Beleidigungen nicht hören würde. Das wollten die Demonstranten aber offenbar nicht auf sich sitzen lassen. Gegenstände flogen in seine Richtung. So schnell war es also vorbei mit der Gewaltlosigkeit bei diesem heuchlerischen Pack. Ein Beutel mit roter Farbe verfehlte Septimius nur knapp. Das wäre peinlich geworden. Er wollte Cressdius wirklich nicht erklären, warum sein Anzug rot war. Ob der wohl mit einem Militärhubschrauber direkt vor die Tür gebracht wurde? Das Fahrverbot auf dem Campus galt ja nur für Normalsterbliche. „Meine Damen und Herren, finden Sie das wirklich angemessen? Versuchte Körperverletzung bei einer Friedensdemo?“ Septimius‘ Laune wurde noch schlechter als er diese Stimme hörte. Das, was der Mann sagte, hatte zwar durchaus Hand und Fuß, aber deswegen freute Septimius sich trotzdem nicht darüber ihn zu sehen. Adrian Venatus war Professor für anorganische Chemie und ebenfalls Fluormagier. Außerdem war er ein Veteran des Arisaja-Kriegs und den Sarilern war es offenbar gelungen, ihm während der Kriegsgefangenschaft eine ordentliche Gehirnwäsche zu verpassen. Jedenfalls war er seitdem überzeugte Pazifist und setzte sich ständig für arunisch-sarilische Kooperation ein. Venatus war ein mittelgroßer Mann mit dunkelbraunem Haar, das an den Schläfen langsam grau wurde. Seinem Körperbau nach zu urteilen hatte er trotz aller Aversionen der militärischen Fitness nicht ganz entsagt. In der Friedensszene genoss Venatus großes Ansehen, was sich jetzt auch daran zeigte, dass die Demonstranten tatsächlich aufhörten Septimius anzugreifen.
„Guten Tag Lurier Lebetinus.“ „Guten Tag Lurier Venatus.“ Wenn der glaubte, Septimius würde sich jetzt für die Hilfe bedanken, hatte er sich getäuscht. „Auch auf dem Weg zu Cressidus‘ Vortrag?“, fragte Venatus. „Ja, Sie etwa auch? Mir war nicht bekannt, dass Sie sich für Karriereperspektiven beim Militär interessieren.“ „Ich habe vor die Veranstaltung kritisch zu begleiten. Höchstwahrscheinlich wird General Cressidus eine sehr einseitige Sicht der Dinge vortragen.“ Natürlich. Was sonst? „Und Sie sind der Meinung, dass Sie als Professor für anorganische Chemie noch eine wichtige Perspektive einbringen können?“ „Wie Sie sicher wissen, habe ich im Gegensatz zu manch anderen den Krieg persönlich miterlebt.“ Sein Blick in Septimius‘ Richtung machte deutlich, wie das gemeint war. Septimius ging nicht weiter darauf ein. Persönliche Betroffenheit verhalf nicht immer zu einem objektiven Blick auf die Wahrheit. Venatus begriff offensichtlich nicht, dass die Sariler ihn nur manipulierten. Schon allein diese angebliche Rettung durch das kleine Mädchen… Aber im damals schon kriegsmüden Arunien war das natürlich gut angekommen und hatte es in alle Zeitungen geschafft. „Aber jetzt setzen Sie sich ja ganz groß für die Zusammenarbeit mit Sarilien ein. Wie läuft das denn?“ „Recht gut, auch wenn es natürlich auf beiden Seiten einige Hindernisse zu überwinden gibt. Rijuna sira Laria kommt übrigens nächsten Monat wieder zu einer Tagung hierher. Falls Sie Interesse daran haben Sie persönlich kennenzulernen statt nur immer weiter Ihre Ressentiments zu nähren.“ Rijuna sira Laria war die Frau, die Venatus damals gerettet hatte. Inzwischen war sie eine anscheinend recht fähige Wasserstoffmagierin, die Arunien und Venatus gelegentlich besuchte. Septimius spekulierte ja normalerweise nicht über solche Dinge, aber wenn sich ein Fluormagier mit einer den Zeitungsfotos nach zu urteilen durchaus recht attraktiven Wasserstoffmagierin traf, drängten sich gewisse Gedanken einfach auf. Ein objektives Bild von dieser Frau würde aber sicher nicht schaden. „Dieses Angebot nehme ich gerne an. Wann wird sie denn hier sein, damit ich mir den Termin vormerken kann?“
Wenn Venatus überrascht war, ließ er es sich nicht anmerken. Er nannte den Termin und die beiden betraten den Hörsaal im Erdgeschoss des Chemiegebäudes. Der Raum war relativ klein, anscheinend war der Andrang deutlich größer als die Veranstalter gedacht hatten. Septimius war sich ziemlich sicher, dass die meisten Besucher keine Chemiestudenten mit Interesse an Karrieren beim Militär waren. Viele der Anwesenden waren bestimmt Störenfriede oder nur gekommen, weil sie sich die Show nicht entgehen lassen wollten. Cressidus stand bereits vorne auf der Bühne, Professor Agripetus, der die Veranstaltung organisiert hatte, am Rednerpult. Der lange Stau und die Aktivisten hatten Septimius einige Zeit gekostet. Er war kein Mensch, der gerne zu spät kam, auch wenn es Gelegenheiten gab, wo dies aus taktischen Gründen sinnvoll war. Diese Veranstaltung gehörte aber nicht dazu. Venatus hielt währenddessen nach freien Sitzplätzen Ausschau und wurde fündig. Neben einer jungen Frau mit glatten hellblonden Haaren, gab es noch zwei Plätze. Septimius kannte sie vom Alchimistenzirkel. Ursula Verna war dort Elevin für das Element Chlor und machte ihre Sache recht gut. Als ihr Professor und der Vorstandsvorsitzende des größten Chemiekonzerns des Landes fragten, ob die Plätze neben ihr noch frei waren, errötete sie leicht. Sie hatte jedoch keinen Grund so schüchtern zu sein. Nach allem, was Septimius wusste, war sie eine sehr tüchtige Studentin und Alchimistenzirkelschülerin, wie es bei Halogenmagiern meistens der Fall war. Trägheit und fehlenden Ehrgeiz fand man bei ihnen eigentlich nie. Agripetus war Ursulas Adept gewesen, vielleicht war sie deswegen hier. Der Professor war zwar Schwefelmagier, hatte aber schon so viele Novizen ausgebildet, dass der Zirkelrat über das nicht ganz passende Element hinweg schauen konnte.
Agripetus‘ Begrüßungsworte wurden mit Pfiffen quittiert, als er seine Hoffnung auf eine konstruktive Veranstaltung ausdrückte. Damit war wohl nicht zu rechnen, aber höchstwahrscheinlich hatte auch niemand ernsthaft darauf gehofft. Cressidus‘ durchdringende, befehlsgewohnte Stimme übertönte den Lärm jedoch problemlos. Er begann seine Rede, während Agripetus‘ Blicke über die Reihen der Anwesenden wanderten. Vermutlich überlegte er, ob es notwendig und taktisch günstig wäre, einige der Störenfriede hinauszuwerfen. Ein paar Herren im dunklen Anzug, die an den Wänden standen, waren vermutlich da, um solche Absichten bei Bedarf in die Tat umzusetzen. Zumindest aus Septimius‘ Sicht waren weder die Rede noch die Zwischenrufe besonders interessant. Hoffentlich hatte Cressidus wirklich etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen. Dem General gelang es sich Gehör zu verschaffen, doch er musste immer wieder trinken. Ob den Störern dieses Zeichen von Schwäche auffiel? Vermutlich nicht. Septimius traute ihnen nicht zu, so genau auf ihre Umgebung zu achten. Diese Leute hatten es nicht mit den leisen Tönen. Cressidus sprach nun von einem Forschungsprojekt, bei dem es um die Entwicklung umweltfreundlicher Bomben ging. „Bomben, die natürlich trotzdem dazu gedacht sind Menschen zu töten!“, rief einer der Demonstranten laut in den Raum. Cressidus überging auch diesen Zwischenruf und sprach weiter. Die Dame vom Studentenwerk stellte ihm ein neues Glas Wasser hin. Agripetus schaute kurz in Septimius‘ Richtung. Der erwiderte den Blickkontakt mit dem Schwefelmagier und versuchte ihm zu vermitteln, dass er die Fragerunde absagen sollte. Das wäre hier nur Zeitverschwendung. Jemand fragte mit leiser Stimme: „Entschuldigen Sie, Lurier, darf ich kurz durch? Ich muss dringend an die frische Luft.“ Es war ein Mädchen mit Sommersprossen und wuschligen braunen Haaren, sie wirkte sehr jung und ziemlich blass im Gesicht. Septimius und Venatus standen kurz auf und ließen sie durch. Schließlich wollte niemand, dass ein Malheur passierte.
Die Luft im Hörsaal war wirklich miserabel. Der Raum war einfach nicht für so viele Leute ausgerichtet. Selbst an den Rändern standen noch Menschen. Septimius war nicht schlecht, doch ein seltsames Gefühl im Bauch machte sich trotzdem breit. Was war nur los mit ihm? Normalerweise hatte er keinerlei Probleme damit das Mittagessen ausfallen zu lassen und danach in stickigen Räumen zu sitzen. Neben diesem diffusen Unwohlsein fühlte er noch etwas anderes. Aus weiter Ferne bemerkte er wie ein Flüstern die Anwesenheit seines Elements. Er schaute sich unauffällig um und versuchte dabei sich darauf zu konzentrieren. Ein Mann zwei Reihen vor ihm hatte offenbar ein fluoridhaltiges Mundwasser benutzt. Das musste es sein, oder? Er konnte das Fluorid jetzt deutlich wahrnehmen. Normalerweise fiel ihm so etwas nicht auf. Diese Veranstaltung war wirklich fürchterlich langweilig. Doch woher kam dieses unangenehme kribbelende Gefühl? Wenn er an so einen Unsinn geglaubt hätte, hätte Septimius es für eine Vorahnung gehalten, doch er war ein rationaler Mensch. Seine Fähigkeiten wurden zwar „Elementarmagie“ genannt, doch das war lediglich ein veralteter Ausdruck. Er wusste genau, was damit möglich war und was nicht. Vorahnungen gehörten definitiv nicht dazu. Wahrscheinlich war es einfach nur der Frust über die überflüssige Zeitverschwendung, verbunden mit dem Lärmpegel und der schlechten Luft. So musste es sein. Unauffällig schaute er Venatus an. Ob es dem wohl ähnlich ging? Wenn es sich um einen vernünftigen Menschen gehandelt hätte, dem er vertrauen konnte, hätte Septimius nachgefragt, doch in diesem Fall ließ er es lieben bleiben. Die Tür zum Hörsaal wurde geöffnet und das Mädchen kehrte zurück. Dieses Mal blieb sie aber gleich hinten stehen. Offenbar wollte sie die Männer nicht noch einmal aufscheuchen. Septimius versuchte sich wieder auf die Rede zu konzentrieren und das Klingeln in seinen Ohren auszublenden. Cressidus fiel es immer schwerer weiterhin so laut zu reden. Sein Gesicht glänzte vom Schweiß und beim Reden flog ihm Spucke aus dem Mund. Richtig unappetitlich sah das aus. Warum ließ der General sich so gehen?
Mit einem Mal ergab alles Sinn. Septimius sprang auf und kletterte über die Beine der anderen Besucher, doch es war schon zu spät. Cressidus brach unter Krämpfen zusammen. Als Septimius es endlich nach vorne geschafft hatte, lag er bereits regungslos am Boden. „Ist irgendjemand von euch Phosphormagier?“, rief Septimius in das allgemeine Chaos hinein. Die Leute wussten offenbar nichts mit dieser Frage anzufangen, einige waren ebenfalls aufgestanden und alle redeten durcheinander. Septimius fühlte bei Cressidus den Puls. Er bemerkte nichts mehr. Dann sollten sich die Erste Hilfe-Kurse des Alchimistenzirkels doch noch als nützlich erweisen. Er bugsierte Cressidus in die stabile Seitenlage, was bei seinem Gewicht gar nicht so einfach war und begann mit der Herzdruckmassage. Große Hoffnungen machte er sich aber nicht. In solchen Situationen wäre es wirklich gut über ein Element zu verfügen, das zur schnellen Lebensrettung besser geeignet war. Leider war der Besitz von Atropin in Arunien streng reguliert, da es als Rauschmittel, sowie wegen seiner dämpfenden Wirkung auf Elementarmagie missbraucht werden konnte. Mit seiner Fluormagie konnte er das noch ungebundene Gift davon abhalten Schaden anzurichten, doch diese Hilfe kam bereits zu spät. Zu viel Gift hatte bereits in seinem Körper reagiert und sich von seinem Fluoratom getrennt. Septimius hatte keinen Einfluss darauf. Das restliche Gift von einer Reaktion abzuhalten war schon mühsam genug, erstrecht neben der anstrengenden Massage. Das Molekül gehörte zu denen, die er selbst damals hergestellt hatte. Die Substanz war bei der Temperatur des kühlen Wassers kaum flüchtig, zum Glück aller anderen Anwesenden. Ein ohrenbetäubender Heulton erklang. Anscheinend hatte jemand den Feueralarm betätigt. Ob das absichtlich oder versehentlich geschehen war, wusste Septimius nicht. „Verlassen Sie ruhig den Raum. Kommen Sie zum Sammelpunkt.“ „Nicht drängeln, dadurch wird nichts besser. Gehen Sie ruhig nach draußen.“ Agripetus und Venatus versuchten die aufgescheuchten Studenten geordnet nach draußen zu bugsieren. Ob die beiden begriffen hatten, was hier vor sich ging?
„Hallo, ich bin eine Phosphormagierin.“ Septimius schaute auf. Die Sprecherin war das junge Mädchen, das vorhin wegen Übelkeit den Raum verlassen hatte. Sie schaute Cressidus an. „Er ist schon tot, nicht wahr?“ Septimius hatte sich diese Wahrheit noch nicht so recht eingestehen wollen, doch vermutlich hatte sie recht. Für eine Phosphormagierin war es ein Leichtes das festzustellen, auch ohne den Patienten zu berühren. „Ich fürchte ja.“ „Es tut mir leid, ich bin nicht schneller nach vorne gekommen.“ „Es ist nicht deine Schuld.“ „Ich hätte besser aufpassen müssen. Ich habe einfach nicht begriffen, was hier passiert. Ich habe gedacht, dass mir wegen dem Essen in der Mensa schlecht ist.“ Sie starrte wie gebannt auf das halbleere Wasserglas, in dem sich immer noch Gift befand. „Du kannst nichts dafür“, wiederholte Septimius. „Du bist noch Novizin und hast keine Erfahrung mit solchen Dingen.“ Diese idiotischen Gutmenschen verhinderten ja, dass Umgang mit Giften noch gelehrt wurde. „Ich habe es selbst auch nicht erkannt.“ Sie konnte nichts dafür, doch für ihn galten diese Entschuldigungen nicht. Er hätte etwas merken müssen, schließlich kannte er sich mit solchen Substanzen aus. Dort hinten war er aber einfach zu weit weg gewesen und die Beobachtungen, die er gemacht hatte, hatte er nicht richtig gedeutet. Ein Fehler, der Cressidus das Leben gekostet hatte. „Wie heißt du denn?“ Es war besser, wenn er das Mädchen mit dem Namen ansprechen konnte. „Melia. Aber was ist das? Ich habe noch nie etwas so Giftiges gesehen. Wie kommt es hierher?“ Septimius vermutete, dass sie mit „gesehen“ durch ihre Gabe wahrgenommen meinte. Elementarmagie war in Arunien nicht häufig genug, dass es für solche Dinge eigene Wörter gab. „Mir wird davon übel, obwohl ich merke, dass es nicht aus dem Glas herauskommt.“ Septimius überlegte kurz, ob er ihr die Wahrheit zumuten konnte und entschied sich dann dafür. Dieses Mädchen war schließlich Novizin des Alchimistenzirkels und bis jetzt wirkte sie ziemlich gefasst. „Erschrick nicht, ich halte nichts davon dir etwas vorzumachen. Es handelt sich um einen Nervenkampfstoff. Auf Phosphorbasis, wie du ja schon gemerkt hast.“ „Was sollen wir jetzt tun? Ich glaube, ich könnte es kaputtmachen.“ Septimius war über diese Reaktion erfreut. Keine Panik, sondern sofort ein sinnvoller Handlungsvorschlag. Aus der Kleinen könnte etwas werden. „Grundsätzlich eine gute Idee, aber ich denke, die Sicherheitskräfte werden es untersuchen wollen. Sie wollen schließlich wissen, was es genau ist und wo es herkommt.“ Draußen waren schon die Sirenen der Polizei und Feuerwehr zu hören. „Was es ist könnten wir ihnen doch sagen.“ „Das lassen sie leider so nicht gelten.“ Eine weitere idiotische Regelung. Die Regierung vertraute den Elementarmagiern einfach nicht. „Kannst du dich mal umschauen, ob noch irgendwo anders etwas ist?“ Er selbst versuchte das ebenfalls und die beiden Gaben vereinigten sich ohne große Mühe. Außer im Wasserglas war kein Gift zu finden. „Gut, es sollte zumindest niemand anderes zu Schaden gekommen sein. Jetzt bleiben wir am besten hier und passen auf bis die Experten von der Feuerwehr kommen.“ Melia nickte. „Aber wer könnte das gewesen sein?“ „Ein Mann wie Lurier Cressidus hat viele Feinde.“ „Ja, aber warum so umständlich? Es gibt doch bestimmt jede Menge Gifte, an die man leichter rankommt und mit denen man auch einen Menschen vergiften könnte. Ist das nicht eher, wenn es mehr Leute erwischen soll?“ „Das kann ich dir nicht sagen, Melia.“ Das Mädchen hatte zweifellos recht. Die Giftmenge in diesem Wasserglas hätte vermutlich ausgereicht um alle Anwesenden zu töten, wenn sie beispielsweise über das Lüftungssystem im Raum verteilt worden wäre. „Hoffentlich findet die Polizei etwas raus.“ Melias Blick ruhte weiter auf dem Glas mit Gift. Septimius wollte verhindern, dass sie doch noch in Panik geriet und versuchte sie am Reden zu halten. „Hast du Interesse an einer Stelle beim Militär?“ Melia errötete leicht. „Nein, deswegen bin ich nicht hier. Ich bin bei der Campuszeitung. Dafür wollte ich von dieser Veranstaltung hier berichten.“ Campuszeitung? Bei Septimius schrillten einige Alarmglocken. „Ich studiere sowieso Bio, darum ging es ja nicht.“ Septimius zweifelte nicht daran, dass Cressidus auch Aufgabenbereiche für eine Phosphormagierin mit Biostudium eingefallen wären, doch er behielt diesen Gedanken für sich. Etwas anderes war wichtiger. „Bevor du über diese Sache hier berichtest, solltest du dich aber mit der Polizei in Verbindung setzen. In solchen Fällen ist es manchmal besser, wenn nicht alle Details an die Öffentlichkeit kommen.“ Die idealistischen jungen Leute verstanden häufig nicht, dass so etwas aus Gründen der nationalen Sicherheit gelegentlich notwendig war, aber er wollte es zumindest versuchen.
Bevor Melia irgendetwas entgegnen konnte wurde die Tür geöffnet und zwei Gestalten in Ganzkörperschutzanzügen der Feuerwehr stürmten herein. „Was machen Sie noch hier?“ „Guten Abend, wir sind beide Elementarmagier und haben hierauf aufgepasst, bis Sie kommen.“ Er wies auf das Glas. „Na gut, aber jetzt raus hier.“ Sehr begeistert hörte sich der Mann nicht an, vielleicht lag es aber auch daran, dass seine Stimme durch das Atemgerät verzerrt war. Eigentlich wäre es das einzig Sinnvolles für so etwas Elementarmagier einzusetzen, aber nun ja, es geschah nicht. Draußen wurden Septimius und Melia von Polizei und Feuerwehr empfangen. Beide mussten unter die Dekontaminationsdusche Für Septimius war das nicht so schlimm, denn seine Alchimistenzirkelrobe lag noch im Auto. Besonders scharf war er zwar nicht darauf, die für den restlichen Abend zu tragen, aber immerhin besser als nasse Kleidung. Melia hatte diese Möglichkeit nicht und würde sich durch Kälte wahrscheinlich eher etwas holen, als durch minimale Giftspuren, die sie vielleicht abbekommen hatte. Ein völlig aufgelöst wirkender junger Mann redete währenddessen auf die Polizei ein. „Ich habe das nicht gewollt, wirklich nicht. Ich hab das nicht gewollt. Es sollte nur ein Scherz sein. Der Typ hat mir diese Kapsel gegeben, die sich im Wasser auflöst. Er hat gesagt, die Dosis würde passen. Sein Stoff war bis jetzt immer in Ordnung. Es sollte nur ein Scherz sein. Ich hatte keine Ahnung. Ich wollte nicht, dass er stirbt, nur dass er sich ein bisschen lächerlich macht.“ „Am besten Sie kommen mit und erklären uns das auf der Wache.“ Septimius konnte kaum fassen, was er da hörte. Konnte das etwa stimmen? Ein Drogendealer brachte in Ergalla einen hochpotenten chemischen Kampfstoff unter die Leute? Wenn die gewöhnlichen Arunier auch nur einen Anflug von Ahnung hätten, wie inkompetent ihre Sicherheitsbehörden wirklich waren, würde wohl keiner mehr ein Auge zu tun. Der junge Mann wusste offenbar gar nicht, was er da einem anderen Menschen ins Glas gemischt hatte. Ohne Gabe war das auch schwer, das musste Septimius ihm zugestehen. Der Junge hatte großes Glück gehabt. Wenn er das Gift berührt oder eingeatmet hätte, wäre er wahrscheinlich ebenfalls tot. Der Polizist telefonierte eifrig. Septimius konnte sich vorstellen warum. Sie wollten den Drogendealer natürlich ausfindig machen und verhindern, dass Schlimmeres passierte. „Auch an Sie hätten wir noch ein paar Fragen“, sagte einer der Beamten zu Septimius. Eine Polizistin beschäftigte sich mit Melia. „Ja, selbstverständlich.“ Das würde ein langer Abend werden und das Essen vor dem Alchimistenzirkeltreffen musste er wohl auch ausfallen lassen. Was Cressidus wohl so dringend hatte besprechen wollen? Jetzt würde er es nie erfahren.
Im ersten Beitrag habe ich das so verstanden, dass in deiner Welt immer diese Seelenverletzungen die Ursache für Autismus sind. (Wobei ich zugeben muss, dass ich mir immer damit schwertue, wenn in einer gebastelten Welt ein reales Phänomen eine fantastische Ursache hat, also auch sowas wie "Pflanzen sind grün, weil das die Lieblingsfarbe der Pflanzengöttin war".) Wenn es eigentlich darum geht, dass dadurch eben ähnliche Symptome verursacht werden, hat sich das aber alles erledigt und wenn du dich selbst mit dem Thema (vermutlich besser als ich) auskennst, geht das auch nicht in die Richtung, die ich im ersten Moment vermutet habe.
Ansonsten bin ich jedenfalls mal gespannt, wie sich das konkrete Leben in deiner Welt gestaltet. Bisher geht es ja hauptsächlich um die metaphysischen Grundsätze.
Zitat von Andecaya im Beitrag #8Das äußert sich dann aber in aller Regel in psychischen Störungen, von Autismus, über Gewaltfantasien
Bitte nimm mir das nicht übel, ich weiß, dass wir hier eigentlich nicht den Anspruch haben, das super politisch korrekte Forum zu sein. Trotzdem möchte ich in diesem Fall empfehlen, zumindest wenn das für eine breitere Öffentlichkeit gedacht ist, vielleicht doch lieber fiktive Folgen dieser Seelenverletzung zu erfinden. (Schlechte Impulskontrolle und Gewalttätigkeit wäre ja schon mal ein Ansatz.) Um das Thema Autismus herum gibt es nämlich leider in der realen Welt so viel Müll (Impfungen sind schuld, Chlor- und Terpentineinläufe helfen...).
Ich habe das "Ding" in der Hose ja erstmal übersehen. Obenrum sieht das Ganze aber doch fast etwas feminin aus? Ist das Absicht vor lauter Muskeln betonen wollen?
Schonmal vielen Dank für eure Tipps. Vielleicht versuche ich mein Glück dann doch erstmal mit Stift und Papier und einem Buch. (Spart zumindest Strom und ist damit klimafreundlicher. ) Ein zusätzliches elektronisches Gerät ist nämlich aktuell eher nicht drin. Vielleicht ist es auch gar nicht schlecht, wieder ein bisschen mehr "analog" zu machen, wenn das Schreiben inzwischen schon am Bildschirm stattfindet.
Habt ihr denn da irgendwelche Tipps zu den Materialien? Außer natürlich Papier und Bleistift.
In Arunien ist bald Präsidentschaftswahl. Wem würdet ihr eure Stimme geben? Die vier Spitzenkandidaten kommen in der Damian-Crispinus-Show zusammen, um ihre Positionen auszutauschen.
Dorian-Crispinus Show, das Special zur Präsidentschaftswahl
Herzlich willkommen zu unserer Sondersendung mit dem großen Special zur Präsidentschaftswahl. Vielen Dank, dass Sie uns wieder eingeschaltet haben. Bei uns im Studio sind heute Raul Laelius, Spitzenkandidat der ARP, Lavinia Donata, die Spitzenkandidatin der AVP, Varius Acantus Spitzenkandidat der Liberalen und Anca Melitia, Spitzenkandidatin der ÖPA Applaus, bei Laelius und Melitia auch vereinzelte Buhrufe.
Crispnius: In gerade einmal vier Wochen finden unsere Präsidentschaftswahlen statt und in den Umfragen haben wir immer noch ein dichtes Kopf- an Kopfrennen. Eins wissen wir sicher, wir werden auf jeden Fall einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin bekommen, denn Sergius Arulius hat bereits seine dritte Amtszeit hinter sich. Wird das Amt jedoch wieder an einen Kandidaten der ARP gehen? An eine Kandidatin der AVP, die aktuell die Mehrheit der Sitze im Nationalrat innehat, oder vielleicht sogar an die Liberalen oder die ÖPA?
Laelius (ARP): Präsident Arulius hat unser Land in den letzten sechs Jahren hervorragend geführt. Die Arbeitslosigkeit in Arunien ist auf ein Rekordtief von 5 % gesunken und das Wirtschaftswachstum lag in den letzten fünf Jahren konstant bei guten 2 %. Das sind doch hervorragende Zahlen, meine Damen und Herren. Applaus
Donata (AVP): Sie vergessen aber zu erwähnen, wie diese Zahlen zustande gekommen sind. Unter der Regierung von Arulius und der ARP wurden Sozialstandards an allen Ecken abgebaut, die Besteuerung der Großkonzerne reduziert, während die Steuerbelastung für die Verbraucher erhöht wurde und die Zahl prekärer Arbeitsverhältnisse ist in die Höhe geschossen. Was nützt uns eine niedrige Arbeitslosigkeit, wenn es immer mehr Menschen gibt, die trotzdem auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, weil ihr Lohn nicht zum Überleben ausreicht? Es ist Zeit für eine neue, eine sozialere Politik und diese Meinung teilen auch unsere Wähler, wie unsere Erfolge bei der letzten Parlamentswahl deutlich zeigen. Applaus
Acantus (Liberale): Es gibt ohne Zweifel kritikwürdige Punkte an der Arbeit von Präsident Arulius und der ARP, die Wirtschaftspolitik gehört aber nicht dazu. Es wäre ein absolut fatales Signal, wenn wir hier wieder einen Rückzieher machen und den Aufschwung durch weitere Steuerlasten und Lohnkosten für die Unternehmen ersticken würden.
Melitia (ÖPA): Warum überrascht es mich jetzt nicht, das von Ihnen zu hören, Herr Acantus? Außerhalb der Liberalen Partei wissen wir jedoch alle, dass der freie Markt keineswegs eine geeignete Lenkungsinstanz ist und dies auch nie war. Der materielle Reichtum von Arunien wird und wurde seit Jahrhunderten auf Kosten der Umwelt erwirtschaftet. Die Artenvielfalt in Arunien ist in den letzten zweihundert Jahren dramatisch gesunken und gleichzeitig haben umweltbedingte Krankheiten rapide zugenommen. So kann es nicht weitergehen. Wir müssen endlich umdenken, bevor wir unser schönes Land vollständig ruinieren.
Crispinus: Vielen Dank für Ihre Statements zur Wirtschaftspolitik. Eins würde mich jedoch noch interessieren, Herr Acantus: Wirtschaftspolitisch stimmen Sie mit der ARP überein, andere Punkte halten sie für kritikwürdig. Möchten Sie da noch etwas ins Detail gehen?
Acantus: Gerne. Leider tut sich die ARP außerhalb des wirtschaftlichen Bereichs teilweise sehr schwer mit freiheitlichen Grundsätzen.
Laelius: Das ist eine unverschämte Unterstellung!
Acantus: Nein, es ist die Wahrheit. Präsident Arulius weigert sich nach wie vor, das vom Parlament erlassene Gesetz zur Gleichstellung von homosexuellen Paaren zu unterzeichnen. Die ARP möchte nicht davon abrücken, Elementarmagiern weiterhin die politische Mitarbeit zu verweigern und sie zur Zwangsmitgliedschaft in einer antiquierten Organisation wie dem Alchimistenzirkel zu verpflichten und das allerschlimmste: ARP-Politiker missachten das Recht auf freie Meinungsäußerung so sehr, dass sie Auftragskiller auf Personen ansetzen, um das Bekanntwerden kompromittierender Informationen zu unterdrücken.
Applaus plus erschrockene und entrüstete Ausrufe. Crispinus: Sie spielen vermutlich auf das versuchte Attentat auf die sarilische Alchimistenzirkelnovizin Elanja sira Neralia an?
Acantus: Auch, aber nicht nur. Bereits vor zwanzig Jahren wurde eine studentische Aktivistin durch ein Auto getötet. Mit dem heutigen Wissen ist es nicht schwer, hier eins und eins zusammenzuzählen.
Laelius: Machen Sie so weiter und wir werden Sie wegen Verleumdung anzeigen. Es ist keinesfalls bewiesen, dass Cassian Clavatus etwas mit dem Anschlag auf diese Sarilerin zu tun hat. Exilsariler leben gefährlich, das weiß jeder. Der tragische Unfalltod dieser jungen Frau vor zwanzig Jahren hat überhaupt nichts mit Clavatus oder gar unserer Partei zu tun und ich fordere Sie dringend dazu auf, solche Unterstellungen zu unterlassen.
Acantus: Ich kann ja nachvollziehen, dass Sie Ihrem Parteifreund nicht in den Rücken fallen wollen, aber die Beteiligung von Clavatus an diesem Attentat steht wirklich außer Frage. Das waren keine sarilischen Agenten oder tessmarische Terroristen und das wissen Sie so gut wie ich.
Laelius: Wie ich bereits sagte, bisher ist nichts dergleichen bewiesen. Wir sollten uns viel mehr Sorgen machen, weil es den Sarilern gelungen ist, den arunischen Wahlkampf auf eine bisher beispiellose Art und Weise zu beeinflussen. Wenn das Schule macht, hat das katastrophale Konsequenzen für die Sicherheit unseres Landes. Es ist doch völlig klar, warum die Sariler gegen die ARP agitieren. Sie haben es schließlich der AVP zu verdanken, dass das Parlament jegliche Sanktionen gegen Sarilien wegen der hinterhältigen Ermordung des verdienten Generals Cressidus blockiert. Anders als bei dem halbgaren Attentat auf diese Sarilerin wurde General Cressidus tatsächlich ermordet meine Damen und Herren und zwar mit einem hochpotenten, chemischen Kampfstoff mitten in der Universität von Ergalla. Soll Arunien sich so etwas gefallen lassen?
Donata: Dieser Vorfall sagt uns zuallererst einiges über die Situation der inneren Sicherheit in Arunien, die der ARP doch angeblich so enorm wichtig ist. Da wurde ja wohl an verschiedensten Stellen geschlampt, sonst hätte das niemals passieren können.
Laelius: Lenken Sie nicht vom eigentlichen Thema ab. Eine sarilische Politikerin gibt einen Mord mit einem chemischen Kampfstoff an einem hochrangingen arunischen Militär in Auftrag und Arunien lässt das einfach auf sich beruhen. Wegen Ihrer Partei!
Donata: Wie wir im Nationalrat bereits mehrfach dargelegt haben: Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die sarilische Regierung hinter diesem Mord steckt.
Laelius: Das verwendete Gift hat Phosphor enthalten und die sarilische Chemieministerin ist eine Phosphormagierin.
Donata: (lacht) Das ist natürlich eine absolut schlüssige Beweiskette.
Acantus: Phosphor gehört zu den häufigsten Elementen bei Elementarmagiern in ganz Silaris.
Donata: Vielen Dank. Allein hier in Arunien gibt es hunderte Phosphormagier.
Laelius: Aber keiner von ihnen hat ein Motiv. Ministerin Brajana hat diesen Mord in Auftrag gegeben, um ihre Macht zu demonstrieren. Die Universität von Ergalla ist als Spitzenhochschule und Standort des Alchimistenzirkels ein enorm wichtiger Ort für Arunien. Sie wollte zeigen, dass sie mühelos in der Lage ist, dort mit ihren Chemiewaffen zu agieren. Sie hat sich zwar dagegen entschieden, einen Massenmord zu verüben, wollte aber allen zeigen, dass sie die Möglichkeit dazu hätte.
Melitia: Selbst wenn das so wäre, was ich nicht glaube, wäre sie damit Ihrem Parteifreund Clavatus moralisch noch weit überlegen. Der hatte ja keinerlei Skrpuel dabei zusammen mit Cressidus und ihren willfährigen Helfern in der Chemieindustrie tausende von unschuldigen Zivilisten zu vergiften.
Laelius: Die Rolle von Herrn Clavatus in Zusammenhang mit diesem Vorfall wird aktuell vollkommen aufgebauscht. Warum das so ist, liegt auf der Hand. Unsere politischen Gegner wollen aus diesem Kriegsverbrechen Kapital schlagen, absolut widerlich, wenn Sie mich fragen. Ähnlich wie die Entscheidung der Sariler, diese Information genau jetzt zu streuen, um diese Wahl zu beeinflussen. Es ist ein Skandal, dass wir Arunier uns so manipulieren lassen.
Melitia: Das sagten Sie bereits. Möchten Sie wissen, was ich davon halte? Ich glaube nicht, an Ihre Verschwörungstheorie von der sarilischen Wahlmanipulation. Aber selbst wenn es so wäre: Inzwischen leugnet ja niemand mehr, dass dieses Kriegsverbrechen stattgefunden hat. Wenn es tatsächlich nur an den Sarilern liegt, dass wir jetzt keinen Verteidigungsminister bekommen, der den Einsatz von Chemiewaffen gegen Zivilisten befürwortet und damit das Völkerrecht mit Füßen tritt, dann sollten wir ihnen dafür dankbar sein! Applaus aus dem Publikum
Laelius: Ich finde es unfassbar, wie Sie das so verharmlosen können. Das sarilische Regime hat eine Phosphormagierin zur Ministerin berufen, das muss man sich einmal vorstellen. Dazu ist sie auch noch eine mutmaßliche Kriegsverbrecherin. Diese Entscheidung war eine eindeutige Provokation, die alle Bemühungen um eine Annäherung zwischen Arunien und Sarilien schlagartig zum Scheitern verurteilt hat.
Donata: Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die sarilische Chemieministerin für irgendwelche Kriegsverbrechen verantwortlich ist. Außerdem entspricht ihre Position in Sarilien ungefähr der einer Leiterin des Alchimistenzirkels bei uns, es ist also völlig naheliegend, dass sie Elementarmagierin ist. Ihre ablehnende Einstellung gegenüber wirtschaftlicher und kultureller Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern ist allerdings in der Tat ausgesprochen unerfreulich. Ich messe dem aber keine so große Bedeutung zu, wie Sie es offensichtlich tun, denn diese Dinge fallen überhaupt nicht in ihr Ressort. Acantus: Mit diesen Ausführungen haben Sie wieder einmal die in der ARP weit verbreitet Magophobie unter Beweis gestellt, Herr Laelius. Es gibt keinen rationalen Grund dafür, Elementarmagier aus der Politik auszuschließen und es ist dringend an der Zeit, dass wir hierzulande damit aufhören, ihnen wegen einer zufälligen Fähigkeit wichtige Bürgerrechte vorzuenthalten. Einige der besten Leistungsträger aus Wirtschaft und Wissenschaft sind Elementarmagier und ich halte es für einen Skandal, dass sie sich nicht politisch engagieren dürfen. Das Argument, dass Elementarmagiern der Bezug zu den gewöhnlichen Bürgern fehlt und sie deswegen als Politiker ungeeignet sind, ist, mit Verlaub, Blödsinn. Vielfalt und unterschiedliche Blickwinkel sind in der Politik fundamental wichtig und am Ende entscheidet der Wähler, ob er einem elementarmagischen Kandidaten vertraut, oder eben nicht. Es gibt keinen Grund, ihm diese Freiheit qua Gesetz zu nehmen.
Donata: Ganz so einfach ist das leider nicht, Herr Acantus. Elementarmagier mit Macht über Elemente, die für den menschlichen Körper essentiell sind, haben unzählige Möglichkeiten ihre Gesprächspartner zu beeinflussen, ohne dass diese überhaupt eine Chance haben, das zu bemerken. Davon abgesehen bedeutet jede dieser Gaben, dass der Magier praktisch jederzeit eine geladene Waffe bei sich trägt. Waffen sind im Parlament aus gutem Grund verboten und die Anwesenheit von Elementarmagiern würde den friedlichen, angstfreien Diskurs schwer bis unmöglich machen. Natürlich liegt es mir fern zu unterstellen, dass die Mehrheit der Elementarmagier so handeln würde, aber die Möglichkeit allein genügt bereits. Als Alternative müssten alle Elementarmagier vor der Sitzung Atropin oder ähnliches schlucken, mit allen Nebenwirkungen. Das können wir nicht verlangen und darauf würden sie sich vermutlich auch nicht einlassen.
Melitia: Sie lenken beide vom eigentlichen Thema ab. Es geht doch im Moment darum, dass Herr Laelius seinen Hass auf die Sariler selbst in der aktuellen Situation nicht im Zaum halten kann, obwohl gerade von seiner Partei aus da jetzt etwas Zurückhaltung gefordert wäre. Ich weiß nicht, ob Sie sich das Filmmaterial aus Alijan angeschaut haben, das bei Ihrem designierten Verteidigungsminister sichergestellt wurde, ich habe es jedenfalls getan. Darauf ist zu sehen, wie diese Politikerin, die Ihnen so ein Dorn im Auge ist, versucht, im Alter von gerade mal 23 Jahren alleine die Bewohner ihrer Heimatstadt vor diesem feigen Giftgasangriff zu retten, den „unser“ Militär hinter unserem Rücken verübt hat. Ich kann vollkommen verstehen, dass sie keinen Wert auf Geschäftsbeziehungen zu den Unternehmen legt, die dafür mitverantwortlich sind. Und wenn sie von arunischer Heuchelei und Doppelmoral spricht, trifft sie in Bezug auf die ARP leider den Nagel auf den Kopf.
Laelius: Nein, ich habe mir dieses Filmmaterial nicht angeschaut und ich sehe auch keinen Grund, das zu tun, außer wenn man den eigenen Voyeurismus befriedigen möchte. Aber Sie scheinen ja wirklich große Sympathien für das sarilische Regime zu hegen. Vermutlich waren Sie vor zwanzig Jahren auch eine dieser Studenten, die unseren Soldaten mit ihrem Demonstrationen in den Rücken gefallen sind und Steine nach unseren Polizisten geworfen haben. Melitia: Ich habe niemals Gewalt angewendet, aber ja, ich habe damals gegen den Krieg demonstriert und dazu stehe ich auch. Heute bin ich noch viel mehr davon überzeugt, dass dies richtig war. Applaus und Buhrufe aus dem Publikum Donata: Die aktuellen Entwicklungen in Sarilien sind besorgniserregend, auch was den Umgang mit kritischen Journalisten angeht. Das bedeutet aber nicht, dass es jetzt wieder an der Zeit ist, die Speerspitzen zu polieren. In den letzten zehn Jahren haben wir im arunisch-sarilischen Verhältnis viel erreicht und das geht auch nicht so leicht verloren. Jedenfalls nicht, solange wir uns der sarilischen Bevölkerung nicht durch Sanktionen und Kriegsgerede als Feind präsentieren. Eine freiere Gesellschaft in Sarilien lässt sich nicht durch Gewalt erzwingen. Sie kann nur dann entstehen, wenn die Sariler selbst anfangen, freier zu denken und Interesse an anderen Ländern entwickeln. Das ist aber nur möglich, wenn Handel, kultureller Austausch und Reisen möglich sind und dafür müssen wir uns einsetzen, statt selbst auf Konfrontationskurs zu gehen, weil dies einzelne sarilische Politiker, vielleicht aus Verbitterung wegen des Krieges, so machen. Applaus. Crispnius: Leider ist unsere Zeit schon wieder zu Ende. Vielen Dank für die interessante Diskussionsrunde. Was möchten Sie den Wählern zum Schluss noch mit auf den Weg geben?
Laelius: Die ARP steht für wirtschaftliche Stabilität sowie innere und äußere Sicherheit. Vertrauen Sie uns weiterhin, wie Sie Präsident Arulius vertraut haben und lassen Sie sich nicht beirren, wenn da einzelne schmutzige Wäsche waschen und unserer Partei schaden wollen.
Donata: Arunien braucht eine neue Politik, eine Politik der sozialen Gerechtigkeit im Land und des friedlichen Zusammenlebens mit den anderen Völkern von Silaris. Die AVP konnte bereits im Parlament unter Beweis stellen, dass sie sich für diese Dinge einsetzt. Schenken Sie mir Ihr Vertrauen, damit ich dies auch als Ihre Präsidentin tun kann.
Acantus: Freiheit ist eine der Grundfesten unserer Gesellschaft und die Freiheit gilt es auch und gerade dann zu verteidigen, wenn es unbequem wird. Dafür steht die Liberale Partei.
Melitia: Respekt für unsere Mitmenschen, auch wenn sie anderer Herkunft sind und Respekt für unsere Lebensgrundlagen und unsere Umwelt statt skrupelloser Gewinnmaximierung und Kriegstreiberei, wenn Ihnen dies genauso am Herzen liegt wie mir, stimmen Sie für die ÖPA.
Manche von euch machen ja wirklich immer ganz tolle Bilder von ihren Menschen und Tieren und offenbar auch am Rechner. Bisher kann ich auf diesem Gebiet ja leider gar nichts, aber natürlich würde ich auch gerne mal zeigen, wie die Dinge bei mir aussehen und habe auch sehr ansprechende Bilder zur Elementarmagie im Kopf, die aber bisher dort bleiben müssen.
Deswegen meine Frage an alle, die sich da auskennen. Wie habt ihr das gelernt? Gibt es da online irgendwelche Möglichkeiten, habt ihr direkt Kurse besucht, Bücher genutzt? Und welche Software bietet sich dafür an?
Sicherlich hat der eine oder die andere schon mit einem Beitrag von mir zum Thema Gift gerechnet. Ich habe aber nicht vor, euch mit einer in vielerlei Hinsicht erschöpfenden Liste wichtiger Gifte in Silaris zu langweilen, sondern nutze das Tagesbastelthema stattdessen lieber, um mich mit der kulturellen Bedeutung des Gifts in Silaris zu befassen.
Ich schreibe hier ganz bewusst „in Silaris“, denn neben allen großen Unterschieden zwischen den silarischen Kulturen ist dies ein Thema, wo sie sich (bei gewissen kleineren Abweichungen) verblüffend ähneln.
Für die Silarier hat der Giftbegriff eine eindeutige moralische Komponente. Durch die omnipräsente Elementarmagie ist es in Silaris traditionell üblich, denn Elementen eine Form von Intelligenz und Bewusstsein zuzugestehen. Zumindest bei den Elementaren ist dies zweifelsfrei vorhanden, bei der Elementarmagie selbst ist es umstritten und chemischen Verbindungen wird heutzutage allgemein kein Bewusstsein mehr zugesprochen. Dies war jedoch in der Vergangenheit anders und entsprechend wurde giftigen Substanzen eine bewusste Entscheidung für das Giftigsein unterstellt, welche (meistens) als moralisch äußerst verwerflich betrachtet wurde.
In den silarischen Mythologien und modernen Fantasyromanen verschwimmen sehr häufig die Grenzen zwischen dämonischen Entitäten, schwarzer Magie und Giftigkeit, in vielen Sprachen sind die Begriffe für diese Dinge auch miteinander verwandt, oder es werden sogar dieselben Begriffe genutzt. Im Dergomarischen und dem in Tessmar gesprochenen Sarilisch ist dies beispielsweise der Fall. Alle silarischen Kulturen kennen in ihren mythologischen Texten irgendwelche magischen Gifte mit übernatürlich zerstörerischer Wirkung. International am bekanntesten ist vermutlich die entsprechende Stelle zum Untergang der Dergom aus dem elavischen Madoriga-Epos.
Im Elavischen, wo Elementarmagie über viele Jahrhunderte hinweg tabu war, bezeichnet derselbe Begriff „Elementarmagier“, „Alchimist“, „Schwarzmagier“ und „Giftmischer“ oder je nach Übersetzung auch „Giftmacher.“ Unterschieden werden diese Begriffe teilweise durch die Namenszusätze. Moderne elavische Elementarmagier nutzen das arunische Wort für ihre Selbstbeschreibung. Der traditionelle Begriff ist Bestandteil von Beleidigungen und wird auch selbst in dieser Form genutzt, hauptsächlich gegen Männer.
In Dageyra gilt dieser Giftbegriff allerdings nur eingeschränkt. Die Dageyraner unterteilen die Welt in „lebensfreundliche“ neutrale und „lebensfeindliche“ Substanzen, wobei letztere dem entsprechen, was anderswo als Gift bezeichnet wird. Gifte, die in Lebewesen vorkommen, zählen für die Dageyraner jedoch als „lebensfreundlich“, da sie für das Überleben des entsprechenden Lebewesens erforderlich sind. Schlangengift ist für sie also auch nichts Schlimmeres als beispielsweise die Zähne eines Tigers. Aus diesem Grund ist der Einsatz von toxischen, synthetischen Chemikalien in Dageyra sehr eingeschränkt und deren Freisetzung in die Umwelt tabu. Dies bedeutet aber nicht, dass dort nur Biolandbau betrieben wird, denn aus Pflanzen, Bakterien oder Pilzen gewonnene Pestizide sind erlaubt. Dageyra kommt auf diese Weise gut zurecht, weil dort dank des tropischen Klimas viele wirksame Naturstoffe zu finden sind. Heutzutage spielt jedoch auch die Biotechnologie eine wachsende Rolle, welche teilweise einen Graubereich darstellt.
Bei den Sarilern gilt es traditionell als unehrenhaft durch Gift zu Tode gekommen zu sein, weil sie bedeutet, dass man entweder bei der Nahrungssuche Fehler gemacht hat oder Lebensmittel von einer nicht vertrauenswürdigen Person angenommen hat. Bei den Sarilern gibt es ein Schimpfwort, das sich mit „Kind einer Vergifteten“ übersetzen lässt und schon öfter Auslöser für handfeste Auseinandersetzungen war. „Giftkrank“ ist bei den Sarilern ebenfalls ein derbes Schimpfwort. Hiervon gibt es auch diverse Abwandlungen wie „der hat wohl die falschen Pilze gesammelt“ für jemanden, der mental nicht ganz auf der Höhe zu sein scheint. Aus demselben Grund ist die Todesstrafe durch Vergiften in Sarilien besonders widerwärtigen Straftätern vorbehalten, andere werden erschossen. Wenn ein Soldat im Krieg durch Gift umkommt, gilt das nicht als Heldentod auf dem Schlachtfeld und dem Betroffenen wird die Bestattung mit militärischen Ehren verweigert. Angesichts der Existenz von Chemiewaffen im modernen Silaris, wird jedoch immer mal wieder diskutiert, ob es nicht sinnvoll wäre, diese Einstellung zu überdenken. Traditionalisten lehnen dies jedoch vehement ab.
Im modernen Silaris glaubt die Mehrheitsgesellschaft nicht mehr, dass giftige Substanzen ein Bewusstsein haben und einige Chemiker und Elementarmagier sprechen sich auch vehement gegen die Klassifizierung von Substanzen als „böse“ ein, da es ja schließlich gar nicht so einfach ist, klar zwischen giftigen und ungiftigen Substanzen zu unterscheiden. (Paracelsus und so) Im Volksglauben hat sich das jedoch noch gehalten und Personen, die an Giften forschen, Elementarmagiern, die besonders gut damit umgehen können, oder solchen mit Gaben für giftige Elemente schlägt immer noch Misstrauen entgegen. Dieser Glaube ist (vermutlich) auch der Grund dafür, warum viele Elementarmagier einen Ekel vor giftigen Substanzen empfinden. (Ob es wirklich (nur) daran liegt, ist umstritten, denn die Ausprägung ist auch von Element zu Element unterschiedlich.) Diesen Ekel müssen sie jedenfalls durch mühsames Training überwinden, wenn sie elementarmagisch mit giftigen Substanzen arbeiten wollen. Dieses Training wird immer wieder kontrovers diskutiert, ist aber wichtig, damit der Elementarmagier notfalls einen kühlen Kopf bewahrt und sich und anderen helfen kann. Solange es nicht das eigene Element in reiner Form ist, geht das nämlich nicht automatisch. Zu viel elementarmagischer Umgang mit Giften wird jedoch immer noch kritisch gesehen. Argumentiert wird inzwischen jedoch nicht mehr mit der Moral des Gifts, sondern damit, dass sich seine schädliche Reaktivität negativ auf den Geisteszustand des Magiers auswirkt. Schlüssige Beweise für einen solchen Effekt gibt es jedoch nicht. Studien deuten darauf hin, dass sich unterschiedliche Gifte verschieden auswirken und dass einige von ihnen unter bestimmten Umständen sogar einen positiven Effekt haben können. Dieses Feld ist jedoch immer noch voller Kontroversen.