Der gute Graf Belgaron

Der Kronenkrieg, der Thyonien in der Mitte des 11. Jahrhunderts in ein tiefes Chaos stürzte, hatte auch Auswirkungen auf die benachbarten Länder. Besonders die unabhängige Metropole Pînor wurde hart getroffen, wenngleich dies für die Obrigkeit der Stadt zunächst entweder noch nicht absehbar war, bewusst ignoriert wurde oder sie schlicht unfähig war.
Als der Krieg immer mehr Landstriche Thyoniens verwüstete, flohen viele Menschen besonders aus Faldorien nach Pînor, um im neutralen Stadtstaat Schutz zu finden. Besonders die reichen Pînorer empfingen die Flüchtlinge mit offenen Armen und führten als Grund hierfür ihre sentarische Nächstenliebe an. Zwar mag dies durchaus auch ein Grund gewesen sein, doch vermutlich ist wahrscheinlicher, was die niederen Schichten ihnen vorwarfen: Die Reichen wollten auf diese Weise billige neue Arbeitskräfte, die dafür sorgten, dass die Löhne in der Stadt nicht nur für die einfachsten Hilfsarbeiter sanken, sondern teilweise auch für gut ausgebildete Handwerker. Die Reichen konnten sich nun noch einfacher ihre Arbeiter aussuchen und diese konnten nur noch in den seltensten Fällen hohe oder auch nur angemessene Bezahlung verlangen. Wer mit seinem Lohn nicht einverstanden war, konnte nicht damit drohen, die Arbeit niederzulegen, denn in diesem Fall wurde er schlicht und einfach ersetzt.

Die Situation verschärfte sich immer weiter und führte auch bald dazu, dass die alteingesessenen Handwerker Probleme bekamen, da mit der Zeit immer weniger Menschen noch die Geldmittel für ihre Waren aufbringen konnten. Auch nachdem der Krieg in Thyonien mit dem Sieg Königin Elrids ein Ende gefunden hatte und viele ihrer Landsleute heimkehrten, besserte sich die Situation in der Stadt nur wenig. Viele Menschen waren verarmt und Bettler, unter ihnen auch kriegsversehrte, waren ein ständiger Anblick. Nicht wenige dieser Bettler wurden auch kriminell und besonders die „starken Bettler“, also jene, die eigentlich arbeitsfähig waren, waren den Pînorern ein Dorn im Auge und sie versuchten immer wieder, gegen sie vorzugehen. Oft wurde versucht, sie aus der Stadt und dem Umland zu vertreiben, doch die Erfolge solcher Aktionen waren meist eher überschaubar.

Unter Graf Belgaron kam es schließlich zu einer der finstersten Begebenheiten in der pînorischen Geschichte, als in einer Nacht ein beispielsloses Massaker an den Bettlern begangen wurde. Wer hinter ihm stand, wurde nie aufgeklärt. Manche vermuteten, dass es wütende Bürger waren, andere glaubten, es wären Kämpfe unter den Bettlern ausgebrochen. Der Rat der Stadt und der Graf setzten in die Aufklärung der Verbrechen keine besonders hohe Priorität und auch die Stadtwache konzentrierte sich eher auf andere Aufgaben, was den Verdacht aufbrachte und immer mehr erhärtete, dass Graf Belgaron die Ermordung aller Bettler in der Stadt angeordnet hatte und Mitglieder der Stadtwache diesen Befehl ausführten und dafür großzügig entlohnt worden waren. Manche Bürger zeigten sich hierüber empört und nannten Belgaron einen blutrünstigen Tyrannen (worin sie wohl bestätigt wurden, als er einige der lautesten Stimmen mithilfe der Richter und Stadtwachen zum Verstummen brachte), doch schwieg die Mehrheit der Pînorer zu dieser Angelegenheit, bestritt mitunter sogar, dass es überhaupt ein Bettlerproblem gegeben hatte und lobte, dass es unter ihrem „guten Grafen Belgaron“ mit der Stadt wieder bergauf ging — was tatsächlich der Wahrheit entsprach.

Als Graf Belgaron schließlich starb, kam es zu einem kleinen Eklat, als einer seiner ältesten Freunde in seiner Trauer- und Lobrede sagte, dass Belgaran der Stadt einen unschätzbaren Dienst erwiesen habe, als er seine Seele mit der schweren Schuld belastete, alle Bettler in der Stadt ermorden zu lassen und dass Gott und die Sentarim sicherlich das Gute in dieser Tat sehen würden. Man behauptete später, der Redner sei altersbedingt „nicht mehr ganz bei Sinnen gewesen“ und man schwieg das Thema zunächst tot, doch recht schnell begann man auch Witze darüber zu machen und schließlich führte es dazu, dass man im 12. Jahrhundert halbscherzend vom „guten Grafen Belgaron“ sprach, „der das Bettlerproblem löste, indem er sie alle ermorden ließ.“

Anzumerken sei, dass nicht alle Bettler in jener Nacht ermordet wurden. Die meisten der Überlebenden aber, die dazu in der Lage waren, verließen die Stadt recht schnell und die wenigen, die blieben, waren alte und versehrte, für die man ohnehin Verständnis hatte und ihnen gerne Almosen gab.

Hier sind meine Lobsbeeren:

@Elatan Fies, aber effizient. Erstaunlich, dass es keinen größeren Skandal ausgelöst hat.

@Harbut Kein Mitgefühl gibt es mehr! Weg mit dem Pack, weg! Ich muss mich meinem Vorredner anschließen, ein wenig wirkt es, als könnte dieser Brief sich zu Elatans Beitrag passen.

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@Harbut Gut möglich, dass es da einen Film gibt, vielleicht hat star trek auch mal sowas gemacht.

@Nharun Trickreich wäre, die Lebenszeit von jemand anderem auszugeben. Schade das mir das jetzt erst einfällt.